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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vor ein paar Tagen ist wieder ein Mensch verschwunden … ein deutscher Arzt und Forscher. Und wieder ist Cravellis Name dabei –«
    »Merkwürdig, Signore.« Der Händler nickte. »Ich werde für Sie arbeiten.«
    »Wenn etwas Besonderes ist … ich heiße Rudolf Cramer und wohne im ›Excelsior‹.«
    »Ich bin Roberto Taccio.« Der Händler bückte sich und kroch wieder unter seinen Lederriemen. Mit einem Ruck hob er den ›Laden‹ wieder vor die Brust. »Wenn Sie mich suchen, können Sie jeden von uns fragen. Er wird Ihnen sofort sagen, wo ich bin. Fragen Sie nach Roberto II. – das genügt.«
    »Roberto II.« Cramer gab Taccio die Hand. »Warum der Zweite?«
    »Ein Titel, Signore. Weiter nichts –«
    Etwas auf dem linken Fuß humpelnd, entfernte sich Taccio zum Rio di San Polo hin.
    Rudolf Cramer blieb noch eine Weile am Rialto stehen, ehe er wieder in seine Gondel kletterte. Noch einmal fuhr er zurück zum Canale Santa Anna und starrte die schwarze Fassade des Palazzo Barbarino hinauf. In einem Seitenzimmer war trübes Licht. Der Butler ging zu Bett. Er war früher heimgekommen … der Film, den er besucht hatte, war anscheinend nicht nach seinem Geschmack gewesen.
    Mit weiten Ruderschlägen fuhr Cramer zurück, über den Riva del Vino hinaus auf den Canale Grande. An der hell angestrahlten Piazetta machte er die Gondel fest und sprang an Land. Zu Fuß ging er zum Hotel und betrat es durch einen Seiteneingang.
    Fröhliche Tanzmusik prallte ihm entgegen. In der Palmenhalle sah er sie tanzen, in weißen Smokings und glitzernden Abendkleidern, mit Geschmeiden und funkelnden Diademen.
    Ilse Wagner, dachte Cramer. Mein Gott … sie war die ganze Zeit allein! Wenn das ein neuer Fehler gewesen war …
    Mit langen Schritten rannte er die Treppe hinauf, vorbei an den verblüfften Boys und Kellnern.
    Das Abendkleid saß wie eine zweite Haut, nachdem Françoise es mit einigen Abnähern passend gemacht hatte.
    »Mon Dieu, wie schönn –«, rief sie und schlug die Hände zusammen. »Isch 'abe gesehen schon viele schöne Frauen – aber Sie sind wie eine princess …«
    Ilse Wagner drehte sich vor dem Standspiegel. Das bin ich?, dachte sie. Dieses zauberhafte Wesen mit den braunen, kunstvoll frisierten Locken, die so raffiniert gelegt waren, daß ihr schmales Gesicht einen fast exotischen Reiz erhielt … dieser schlanke Körper in dem fließenden, glitzernden Kleid … das bin ich?
    Immer wieder drehte sie sich vor dem großen Spiegel. Ich bin es, wahrhaftig … aber doch ist es ein anderer Mensch. Ein fremder Mensch. Ein in allem Glanz ängstlicher Mensch –
    Sie senkte den Kopf und wandte sich ab. Ein Tag oder zwei Tage … länger wird es nicht sein. Vielleicht nur diese Nacht … dann war sie wieder die Sekretärin Ilse Wagner, ein unscheinbarer Punkt in der grauen Masse … Stenogramme aufnehmen, diktierte Tonbänder abhören, tippen, Telefongespräche verbinden, Briefmarken auf Kuverts kleben, von zwölf bis halb zwei Mittagspause … und dann wieder tippen, Telefon, Diktat. Von halb acht Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags … tagaus, tagein, immer dasselbe, acht Stunden lang … Fräulein – Stenogramm – Fräulein, wo ist der Brief vom 23. – Fräulein, zum Diktat … Fräulein, wo ist denn die Akte 19 … Fräulein, erinnern Sie mich noch an die Nummer 56 89 34 …
    Ilse Wagner wandte sich vom Spiegel weg. Es tat ihr weh, noch weiter das glänzende Bild der anderen Ilse Wagner anzusehen. Es war fast wie ein Hohn.
    »Sie sind ein neuer Mansch …«
    »Es sieht nur so aus, Françoise.«
    »Die Männer werden 'aben keine ruhige Minüt …«
    Ilse versuchte zu lächeln. Sie nahm die kleine, silberne Abendtasche aus der Hand Françoise, überwand sich, nicht noch einmal in den Spiegel zu sehen und ging zur Tür.
    »Es wird nicht spät werden –«, sagte sie, als sie die Tür öffnete.
    »Isch werde warten, Mademoiselle –«
    Ilse blieb erstaunt stehen. »Haben Sie keine anderen Zimmer zu versorgen, Françoise?«
    »Sonst oh oui! Aber 'eute nur für Mademoiselle.«
    Verwirrt strich sich Ilse Wagner über das Gesicht.
    »Hat Herr Cramer das gewünscht?«
    »Oui.« Françoise lachte keck. »Er ist eine reiche Mann –«
    »Als Opernsänger?«
    »Sagt er, Mademoiselle.« Françoise blinzelte geheimnisvoll. »Direktion 'at sich einmal in Zürich erkundigt, weil er immer kommt jedes Jahr. Ein Opernsänger Cramer ist in Zürich nischt bekannt … Aber er bezahlt immer alle Rechnungen … darum wir ihn nennen

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