Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
ruhig. Ich wartete bei einer Tasse süßem Tee an der Bar und stellte im Stillen dieses Mittagessen, mich selbst und mein Outfit (eine weiße Leinenhose und ein Seidenpullunder) in Frage.
Rusty hatte ich erzählt, dass ich mich mit Hutch treffen würde, um ihm Informationen über Mutter zu geben. Er hatte in der Küche gestanden, den Aktenkoffer zu seinen Füßen. »Ist das dein Ernst?«, hatte er gefragt.
»Ja.«
»Und das kannst du ihm nicht am Telefon erzählen?«
»Ich will ihm Kopien von den Seiten aus den beiden Jahren geben. Es geht hier um Mutter, Rusty. Um die Ausstellung. Nicht um mich oder Hutch.«
»Bist du dir da sicher?«
»Völlig«, hatte ich gesagt.
Rusty hatte auf dem Weg nach draußen die Tür hinter sich zugeknallt, was dieselbe Verachtung für Hutch zeigte, die schon meine Mutter an den Tag gelegt hatte. Ihr Feldzug gegen Hutch hatte in dem Moment begonnen, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, und wurde über Thanksgiving hinaus in den nächsten Frühling hinein fortgeführt.
Es war das Wochenende vor den letzten Prüfungen, der nahe Sommer blies schon seine schwüle und verführerischeLeichtigkeit in unser Leben. Hutch und ich waren nach Atlanta gefahren, um gemeinsam für die Prüfungen zu lernen. Wir saßen mit unseren Geschichtsbüchern auf der hinteren Veranda meines Elternhauses, hatten die Bleistifte hinter die Ohren geklemmt und fragten uns gegenseitig ab. Antworten, die mir jetzt nicht einmal mit der Pistole auf der Brust einfallen würden, kamen damals leicht und schnell. Wir hatten Vertrauen in unsere Noten, unser Leben, unser Verlangen.
Später fand ich heraus, dass meine Mutter einen Privatdetektiv engagiert hatte, um einen dunklen Punkt in Hutchs Vergangenheit zu finden. Hutch und ich stritten uns zum allerersten Mal. Und eigentlich auch zum letzten Mal, und ich rechtfertigte damit später meinen eigenen Verrat.
Meine Mutter war auf die Veranda gekommen, an ihrem Arm baumelte ihre Handtasche. »Ich gehe in den Gartenclub«, sagte sie. »Ihr zwei kommt allein zurecht?«
»Natürlich«, antworten wir unisono und lächelten einander deswegen an.
Sie ging ein paar Schritte weiter, hielt dann inne und drehte sich auf dem Absatz um. »Ach, Hutch, was für ein Zufall, es gibt noch einen Jungen namens Hutchinson in Ihrem Heimatort.«
Er lachte und legte seinen Finger auf eine Zeile im Geschichtsbuch, um Mutter ansehen zu können. »Nein, das bin ich.«
»Wirklich? Sind Sie sicher?«
»Ja«, sagte er und warf mir einen Blick zu. »Ich bin der Einzige.«
»Nun, das ist merkwürdig, ich hätte ja nie von Ihnen gedacht, dass Sie mal einen Monat im Gefängnis gesessenhaben. Das ist doch sicher jemand anderes.« Sie strich sich das Haar aus der Stirn, obwohl es mit so viel Haarspray fixiert war, dass die Geste völlig unnötig war. Sie sah mich an.
»Mutter«, sagte ich. »Wovon redest du?«
Sie kam zu uns zurück und setzte sich auf einen Stuhl. »Das tut mir leid … Ich wollte keine Bombe platzen lassen. Ich war sicher, es würde sich um einen anderen Jungen handeln. Tut mir … leid.«
»Nein, Ma’am, das war ich. Ich war vierzehn. Und es war eine schlimme Geschichte, an die ich ungern zurückdenke.«
Sie nickte. »Das verstehe ich.« Dann ging sie und ließ mich und Hutch allein, zwischen uns der eiserne Tisch und die Geschichtsbücher.
Hutch sah mich eine Ewigkeit lang einfach nur an, während sich in meinem Inneren schwarze Panik ausbreitete, wie ein Öltropfen auf Wasser. »Es ist nicht so, wie es klingt«, sagte er.
»Gut«, sagte ich.
»Mein Gott, woher weiß sie das? Die Akten sind seit Jahren geschlossen.«
»Dann … ist es also wahr?« Mein Herz raste, mein Mund war trocken wie die Wüste.
»Ellie …«
Ich sprang auf. »Es stimmt? Sie hat recht? Und du hast mir nie davon erzählt? Soll das ein Scherz sein?«
»Bitte setz dich hin und hör zu. Ich erzähle dir die ganze Geschichte.«
Ich blieb stehen. »Ich höre, Hutch. Also los.«
Er stand ebenfalls auf und nahm meine Hände. »Setz dich.«
Dann erzählte er mir alles. Eine schreckliche Geschichte, die ihn verändert hatte und uns verändern würde.
»Ellie«, sagte er bedauernd, aber entschlossen, »es tut mir so leid, dass ich dir nichts davon erzählt habe. Es war furchtbar, und weil ich das Ganze vergessen will, tue ich meistens so, als wäre es nie geschehen.«
»Das geht nicht«, sagte ich. »So tun, als wäre etwas nicht geschehen, geht nicht.«
»Ich weiß, und ich hätte es dir
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