Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
Bars und Spelunken.«
»Erzähl mir mehr Einzelheiten. Bitte.«
»Der Freedom Ride.« Sie schüttelte den Kopf. »Das war das Allerschlimmste. Er war losgefahren, um deine Mutter von der Uni abzuholen und dann den Bus in Montgomery in Empfang zu nehmen, aber sie hatten einen Platten. Ich war da, in Montgomery, und wartete auf die beiden. Meine Eltern dachten, wir wären alle an den Strand gefahren – es war der einundzwanzigste Mai. Was weißt du über den Freedom Ride?«
Ich schüttelte den Kopf. »Leider nur sehr wenig. Ich kann nicht glauben, dass meine Mutter nie …«
Birdie hob die Hand. »Sie wollte diese ganze Zeit um alles in der Welt vergessen, und manchmal muss man dann auch die guten Dinge verdrängen, um die schlechten loszuwerden.« Sie hielt inne und atmete tief durch. »Mit den Freedom Rides wurden die Gesetze zur Aufhebung der Rassentrennung auf den Prüfstein gestellt. Vorher saßen Weiße im Bus vorne, Schwarze mussten hinten sitzen. Alle wussten, dass es Ärger geben würde … alle. Sogar wir. Gott, wir hofften, es würde anders kommen, aber es kam, wie es kam.«
»Wie?«
Birdie schüttelte den Kopf. »Es ist schlimm, dass deine Generation diese Geschichten alle nicht mehr kennt.« Dann lachte sie. »Ich klinge wie eine alte Krähe. Jedenfalls … hatte der Gouverneur versprochen, den Bus zu schützen.«
»Vor wem?«
»Ach, Ellie, vor dem Ku-Klux-Klan, vor Scharfschützen, vor dem Mob. Es heißt, der Bus fuhr mit neunzig Meilen die Stunde über den Highway, eskortiert von der Autobahnpolizei … und weißt du was … kaum hatte derBus die Stadtgrenze von Montgomery erreicht, da machte sich die Polizei aus dem Staub. Am Busbahnhof, wo wir alle warteten, verprügelte dann der Mob die Fahrgäste. Die Polizei hat keinen Finger gerührt. Sogar Journalisten wurden angegriffen.«
»Und meine Mutter war dabei?«
»Nein, das ist es ja. Am Anfang nicht. Sie kamen zu spät. Als sie eintrafen, war die Prügelei schon zu Ende. Vorbei. Deine Mutter hat dann geholfen, die Männer ins Krankenhaus zu bringen. Nicht mal dabei hat die Polizei einen Finger gerührt. Deine Mutter war ein Racheengel, sie schaffte Menschen ins Krankenhaus, schrie, brüllte, half.«
»Ihr müsst so wütend gewesen sein.« Mein Weinglas war inzwischen leer.
»Wütend und voller Leben. Ja, wir fühlten uns lebendiger als je zuvor. Ich hatte nicht gemerkt, dass meine beste Freundin sich verliebt hatte. So war das damals – wir waren alle vor Leidenschaft mitgerissen, und ich hatte nicht mitbekommen, was mit ihr los war. Und der Grund dafür ist: Er war nicht der Richtige für sie.« Birdie hielt inne und sah mich an. »Er war nicht der Richtige. Und ich dachte, sie wüsste es besser, wüsste, dass es nicht gutgehen konnte, dass es den schwülen Alabamasommer nicht überdauern würde. Sie war eine intelligente Frau, die intelligenteste, die ich kenne, wie konnte sie sich so in den Falschen verlieben? Nach den Tumulten waren wir in einer Bar, und als ich sie da ansah, wusste ich, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Nicht so, wie man sich in einen kleinen Hund verliebt oder wie man den Strand oder seine beste Freundin liebt, sondern so, dass nichts anderes mehr existiert auf der Welt, nur noch der Mann vor dir: seine Berührung,seine Stimme, seine Nähe. Ein Verlangen, so stark, dass man alles für diesen Mann tun würde. Sie war hingerissen, und ich bemerkte es zu spät, um ihr helfen oder sie aufhalten zu können.«
Ich beugte mich vor. »Warum war er der Falsche?«
»Er war ein wildes Wesen. Ein Junge im Körper eines Mannes, der alles und jede liebte. Deine Großeltern, ihre Eltern, hätten ihn niemals akzeptiert. Er wäre nie wirklich Teil der Familie geworden. Sie hätte sich von allem lossagen müssen, um mit ihm zusammen sein zu können. Er lebte … ein ganz anderes Leben.«
»Nun, vielleicht hat sie ihn deswegen geliebt.«
»Natürlich teilweise deswegen. Aber so einen Mann heiratet man nicht. Doch sie hatte ihr Herz an ihn verloren. Als ich das merkte, war es für beide schon zu spät.«
»Wieso?«
Birdie stand auf. »Das reicht für heute, Ellie. Lass dir durch den Kopf gehen, was ich dir erzählt habe, und finde heraus, ob es gen
Ich hörte die Stimme meiner Mutter in ihr. »Ich weiß. Mutter hat mir immer gesagt, dass ich zu viel will, dass ich zu viel bin, dass mit mir – alles zu viel ist. Findest du, man kann zu viel wollen?«, fragte ich. »Wirklich zu viel wollen, so dass man nie genug
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