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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Callahan Henry
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einem zähnefletschenden Untier aus, an dem wir nicht mehr vorbeikamen. Schließlich rief sie an und entschuldigte sich mit trockener und blutleerer Stimme, indem sie sagte: »Ich will auf keinen Fall, dass du mich für grausam hältst. Ich werde dich ab jetzt respektieren und deine eigenen Fehler machen lassen.«
    Das kam einer Entschuldigung näher als alles davor oder danach. Ich beschloss, ihr zu vergeben, weil ich wusste, dass mehr nicht von ihr kommen würde. Dieses halbherzige Bedauern war alles, was sie geben konnte.
    Nicht lange danach sprach mich Rusty in der Bibliothek an. Hatte mein Irrgang mit Mutters Worten oder mit Rustys Einladung begonnen?
    Wo beginnt überhaupt irgendetwas?
    Das alles ging mir durch den Kopf, während ich zwischen den Regalen hin-und her wanderte und Papier, Zeichenkohle, Stifte und Farben aussuchte. Mein Stapel auf dem Cafétisch wurde immer höher, schließlich fragte mich eine Frau, ob ich Hilfe bräuchte. Ich sah sie an und dachte, ichsehe sie jetzt bestimmt so an, als hätte sie mich aus dem Schlaf geholt – verwirrt und verpennt.
    »Hilfe?«, fragte ich.
    Sie lächelte, als hätte sie so einen Ausdruck schon öfter gesehen – verloren im Kunstladen. Sie war winzig, ich fühlte mich an einen Strandläufer erinnert. Ihre dunkelbraunen Haare waren wie Federn im Wind, ihr kleiner Mund zwitscherte die Worte. Sie streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin Leona Riordan. Kann ich Ihnen helfen?«
    Ich schüttelte ihre Hand. »Hi, ich bin Ellie. Ich glaube, ich habe jetzt alles. Ich muss nur noch bezahlen.«
    Leona, die in meinem Alter zu sein schien, sprach schnell, aber mit einem starken Südstaatenakzent, der das Gesagte viel langsamer erscheinen ließ. »Sie müssen Künstlerin sein.«
    »Oder Möchtegernkünstlerin«, sagte ich.
    »Nein, nein.« Sie sammelte ein paar meiner Utensilien ein und ging damit zur Kasse, während sie über die Schulter weiterredete. »Wie bei Schriftstellern – wenn man schreibt, ist man Schriftsteller. Wenn man malt oder zeichnet oder … was auch immer tut … ist man Künstler.«
    »Sind Sie Künstlerin?« Mit der Zeichenkreide in der Hand folgte ich ihr.
    »Künstlerin? Nein. Schriftstellerin. Zumindest bemühe ich mich.«
    Ich ging ihr nach.
    »Recherche?« Sie zeigte auf die Bücher.
    Nur im Süden, dachte ich, wird diese Art von Neugier für Höflichkeit gehalten, und nicht einmal ich war daran gewöhnt, dass die Leute mich so ausfragten. »Ja, Ashley, ein nettes Mädchen, hat mir bei der Auswahl geholfen.«
    »Unsere mit Abstand beste Mitarbeiterin«, sagte Leona.
    »Ich kenne ihren Dad aus dem College.« Ich griff nach meinem Portemonnaie.
    »Sie sind zu Besuch in Bayside?«
    »Ja, ich wohne eine Weile bei Birdie Worthington.«
    »Ah, ja. Ich habe gehört, dass Sie da sind. Vance Hillman hat es erzählt.«
    »Wer?«
    »Einer aus dem Ort. Der Apotheker.« Sie zeigte aus dem Fenster, als müsste ich doch wissen, wo die Apotheke und wer Vance Hillman wäre.
    Ich zuckte die Achseln.
    »Oh, er kennt Sie nicht. Er hat es von Bitsy erfahren, der mit Birdies Hausmeister befreundet ist.«
    Ich lachte laut auf.
    »Ich weiß«, sagte Leona. »Kleinstadtleben.«
    »Das ist doch toll. Irgendwie.«
    »Na ja, herzlich willkommen. Schön, dass Sie da sind.«
    »Dieser Laden ist wunderbar. Eine tolle Idee, Kunstutensilien und Bücher zusammenzulegen. Das passt wirklich gut.«
    »Genau.« Sie strahlte mich an, ich wusste, ich hatte das Richtige gesagt. »Das ist genau das, was ich im Sinn hatte.«
    »Ach?«, sagte ich. »Der Laden gehört Ihnen?«
    Sie tippte auf der Kasse herum, gab meine Einkäufe in den Computer ein, wobei ihre Zungenspitze konzentriert aus dem Mundwinkel lugte. »Ja. Alles meins. Die Sorgen. Die Rechnungen. Wenn bloß alle meine Mitarbeiter wie Ashley wären.« Sie drückte auf eine Computertaste. »Okay, Ihr Schaden beläuft sich auf hundertfünfundzwanzig Dollar und sechzig Cent. Dieses schöne Papier gefällt Ihnen, wie?«
    »Das dicke aus Baumwolle. Ja, das ist mein Lieblingspapier.« Ich gab ihr meine Kreditkarte.
    Ich winkte zum Abschied, an der Tür fiel mir ein Poster auf: Buchfestival. Mobile. Sonntag. In drei Tagen also. Ich lächelte.
    Ich trug meine Tüten zum Auto zurück und warf sie auf den Rücksitz, ohne das Gemüse zu zermatschen. Noch einmal versuchte ich, Rusty anzurufen, aber wieder ging nur die Mailbox an. Was machte mich wirklich traurig? Dass ich erleichtert war, weil nur die Mailbox anging.
    e Ashley.

Aus Lillian

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