Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
studierten wir die Karten, bis ich meine zuklappte. »Ich habe keinen großen Hunger.«
Er sah mich über seine Karte hinweg an. »Du musst die Hush Puppies probieren. Nur probieren.«
Ich nickte. »Also gut.«
Er bestellte für uns und sagte dann: »Erzähl mir von dir, Ellie.«
»Was willst du denn wissen? Die Fakten kennst du, ich bin seit zweiundzwanzig Jahren mit Rusty verheiratet, wir haben die ganze Zeit im selben Haus in Atlanta gelebt. Lil ist jetzt schon neunzehn und geht ins College … das ist es ungefähr.« Unser Essen kam.
»Mit Sicherheit ist es das nicht. Ich habe den Zeitungsartikel über deine Malerei gelesen. Erzähl mir davon.« Er schob sich ein Hush Puppy in den Mund und lehnte sich lächelnd zurück.
»Ach, das. Damit habe ich vor ungefähr zehn Jahren angefangen, als ich Mutter mit einem Bild von ihrem Garten überraschen wollte. Sie war besessen von ihrem Garten.«
»Das weiß ich noch.«
Ich wandte den Blick ab, bevor ich weitersprach. »Ich wollte eigentlich den ganzen Garten malen, aber blieb dann an einer einzigen Blume hängen. So fing alles an, und so ist es wohl bis heute. Es gibt mehr Blumen, als ich je malen könnte. Auch eine ganz gewöhnliche Blume ist aus der Nähe betrachtet etwas Einzigartiges.«
»Wie du.« Seine Stimme war leise und ernst. Er meinte, was er sagte, er hatte es schon einmal gesagt.
»Das ist … lieb.«
»Hast du mal Unterricht genommen?«
»Ja, am Kunstinstitut. Aber eigentlich habe ich immer nur für mich gemalt – um im Atelier und auf dem Dachboden zu sein. Um das Gefühl beim Malen zu genießen. Darum mache ich es. Versteh mich nicht falsch, die Kunstausstellung war eines der schönsten Erlebnisse in meinem Leben und außerdem der letzte Abend mit meiner Mutter – aber überwiegend male ich nur, um dieses Gefühl zu spüren, dass ich male.«
»Mir geht es mit meinen Projekten genauso …«
»Auch bei diesem? Dem ›Women of the Year‹-Projekt?«
»Genau. Und, hast du was rausgefunden … irgendwas?«
»Ja.« Während wir Hush Puppies aßen und kaltes Bier tranken, berichtete ich Hutch, was Birdie mir erzählt hatte.
»Wow. Deine Mutter.«
»Ich weiß. Ich kann es mir kaum vorstellen.«
Die Hush Puppies waren alle. »Na?« Hutch lächelte. »Du hattest keinen Hunger, wie?«
»Wollen wir noch welche bestellen?«
»Ja.« Er winkte der Kellnerin, bestellte nach und noch zwei Bier, kurz darauf standen die Hush Puppies vor uns.
Seine Hand ruhte entspannt auf dem Tisch, das linke Bein hatte er vor sich ausgestreckt. In seinem Lächeln lag die Freundlichkeit, die mein Herz schon vor all den Jahren für ihn geöffnet hatte, eine Gutherzigkeit, die alle Leere ausfüllte. Die träge Schwüle im Restaurant ließ die Grenze zwischen Vergangenheit und Gegenwart verschwinden.
»Mehr weiß ich nicht«, sagte ich. Die Stille trieb uns auseinander, die eben geschlossene Lücke öffnete sich wieder weit.
Er lachte, ich sah ihn an, sein Blick war auf einen Punkt im Raum geheftet. »Der alte Tommy da drüben.« Er nickte in Richtung eines Mannes an der Bar. »Er hat keine Ahnung, auf was er sich da heute Abend einlässt.«
Die Bar bestand aus einem langen, zerkratzten Holzbrett mit zu vielen Lackschichten, als sollte der Glanz dem billigen Holz irgendwie mehr Wert verleihen. Eine Frau in meinem Alter, eine gutsituierte Südstaatenschönheit, hielt einen Tequila. Sie lächelte den Mann neben sich an. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber höchstwahrscheinlich lächelte er
»Was?«, fragte ich.
»Der Typ da. Er spielt mit der gefährlichsten pathologischen Störung, die es gibt.« Hutch beugte sich vor und flüsterte in der Stimmlage, die ich am liebsten mochte: »Das nette Mädchen von nebenan auf Männerfang. Die gefährlichste aller Frauen in freier Wildbahn.«
»Was?« Ich wollte Hutch berühren, tat es aber nicht.
»Das ist Bitsy Morgan – eine Bekannte von Drew. Ich habe sie vor ein paar Tagen kennengelernt. Das nette Mädchen in Reinkultur. Du weißt schon – nur Einsen in der Schule, Bestnote an der Universität in Alabama, hat niemals Drogen genommen oder irgendwelchen Ärger gemacht, ihre erste Liebe geheiratet und ihm vier wunderschöne, blonde, blauäugige Kinder geschenkt. Mitglied der Junior League, setzt sich für Kinder in Not ein, läuft jeden Tag drei Meilen, unterrichtet in der Sonntagsschule. So eine.«
Ich seufzte. »Das klingt nicht zum Fürchten.«
»Ah, aber nur, weil du den Rest der Geschichte nicht
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