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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Callahan Henry
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hin.«
    »Fahr jetzt«, sagte ich kopfschüttelnd.
    Die Musik, die wir seinem krächzenden Autoradio entlocken konnten, dröhnte und vermischte sich mit den Außengeräuschen: Autos, Hupen, kreischende Vögel, Wind.
    »Satellitenradio ist nichts für dich, wie?«
    »Was?« Er beugte sich zu mir, um mich über den Wind und die Musik hinweg hören zu können.
    »Nichts«, sagte ich und tätschelte seine Hand, die auf dem Schaltknüppel lag. Er wickelte einen Finger um meinen kleinen Finger. Rosanne Cash sang ihr altes »If You Change Your Mind«, und wir hielten Finger. Als wir über die Bayside Bridge nach Mobile hinein in Richtung Montgomery fuhren, flog ein aufgeschreckter Reiherschwarm über das Auto hinweg, Unmengen Flügel und Federn. Ich seufzte zufrieden.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Ich nickte und schob meine Hand unter seine, ließ dabei den Finger los und nahm seine ganze Hand, als wäre das genau das Richtige, nicht genau das Falsche. Er drückte und ließ los. Ich faltete die Hände in meinem Schoß zusammen, in den verbleibenden zweieinhalb Stunden Fahrzeit sprachen wir nur wenig.
    »Ellie …« Hutchs Stimme drang in mein Bewusstsein, erschreckt schlug ich die Augen auf.
    »Bin ich eingeschlafen?« Ich schob die Sonnenbrille zurecht und streckte mich. »Tut mir leid.«
    »Was tut dir leid?«
    »So entspannt war ich einfach schon sehr, sehr lange nicht mehr. Ich war wohl keine gute Gesellschaft, wie?«
    »Du bist immer gute Gesellschaft.«
    Wir stiegen aus dem Auto, dann zog Hutch das Verdeck hoch, während ich versuchte, meinem windzerzausten Haar wieder eine Form zu geben. »Wo wollen wir zuerst hin?«, fragte ich, als er auf mich zukam.
    »Zum Bürgerrechtsdenkmal, dann in die Bibliothek, wo wir das Archiv durchforsten. Außerdem hatte ich gedacht, wir fahren zum Busbahnhof, wo deine Mutter am Tag der Prügelei war.« Er streckte den Finger aus. »Da ist das Denkmal.«
    Wir gingen darauf zu, ich bewunderte seine Schönheit wie die eines Sonnenuntergangs oder einer sich öffnenden Blüte. Aus der Mitte einer kreisförmigen, schwarzen Granitsteinscheibe floss Wasser über die eingravierten Namen, die sich wie Zeiger einer Uhr nach außen streckten. Hier waren die verewigt, die bei der Verteidigung der Bürgerrechte ihr Leben gelassen hatten. Auch Martin Luther Kings Umformulierung eines Bibelverses war in den Granit graviert: »Wir werden nicht zufrieden sein, bis die Gerechtigkeit wie ein Gewässer und Rechtschaffenheit wie ein mächtiger Strom herunterfließen.«
    »Das ist überwältigend – und traurig«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ich verstehe einfach nicht, warum sie mir nie was davon erzählt hat. So etwas Wichtiges. Das gehört doch zu unserem Leben. Auch wenn wir versuchen zu vergessen, dass es je passiert ist – es ist passiert und hat alles verändert.«
    »Ellie, wenn man etwas oder jemanden wirklich vergessen will, dann redet man nicht mehr darüber, vor allem mit dem eigenen Kind nicht.«
    Ich stippte meinen Finger in das über den Stein fließende Wasser und zog einen der Namen nach. »Aber sie hätte mir doch wenigstens hiervon erzählen können.«
    »Vielleicht konnte sie das hier nicht von ihm trennen.«
    »Vielleicht«, sagte ich.
    Wassernebel sprühte über Hutchs Gesicht, ich hob die Hand und berührte die Narbe auf seiner linken Wange. Er legte seine Hand auf meine und lehnte sich kurz dagegen, dann ließ er schnell wieder los. »Auf zum Busbahnhof.«
    »Gib mir noch eine Minute«, sagte ich. Ich stand vor dem Denkmal und las flüsternd die Namen auf dem Stein vor, lauter Menschen, die mir unbekannt waren, aber mit denen ich mich auf merkwürdige Weise verbunden fühlte.
    Hutch saß zurückgelehnt auf einer Marmorbank, schloss die Augen und hielt das Gesicht in die Sonne. Ich beobachtete ihn ein paar Momente, gestand mir einen langen Blick auf sein Gesicht und seinen Körper zu, solange er die Augen geschlossen hatte. Dann ging ich zu ihm hinüber und setzte mich leise hin. Ohne die Augen aufzumachen, legte er seine Hand auf mein Bein.
    In meiner Tasche klingelte das Handy, als ich danach wühlte, fiel der ganze Tascheninhalt zu Boden. Lippenstift, Portemonnaie, Kleingeld, zwei Kugelschreiber und ein paar zusammengeknüllte Einkaufsbons. Ich fummelte gleichzeitig mit dem Handy herum und sammelte meinen Besitz wieder ein. »Hallo«, sagte ich, ohne auf das Display zu sehen.
    Hutch sprang auf und rannte einem davonrollenden Lippenstift hinterher, ich musste laut

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