Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
anderen gesucht, und daraus bist du entstanden. Das ist die gewöhnlichste Geschichte der Menschheit – Liebe und Verlust. Mehr ist da nicht.«
»Doch, da war noch was. Das hast du gerade gesagt.«
»Hör zu, Ellie, wenn das Herz voll Schmerz ist, geht es seine eigenen Wege.«
»Ich will aber nicht sein wie sie. Ich will mein Herz nicht verschließen und ein Leben in kalter Perfektion leben.«
»Du findest, sie hatte ein verschlossenes Herz?«
»In vieler Hinsicht ja.«
»Wir alle treffen Entscheidungen darüber, womit unser Herz leben kann oder nicht. Sie hat sich entschieden, du kannst deine eigenen Entscheidungen treffen.«
Um nicht über mein eigenes Leben reden zu müssen, wechselte ich das Thema. »Erzähl mir, was ihr in dem Sommer alles getrieben habt, wenn eure Eltern dachten, ihr wärt im Club oder beim Schwimmen.«
»Ach …« Sie lachte und klopfte sanft mit der flachen Hand auf den Tisch. »Wir haben nichts Weltbewegendes angestellt. Meistens glaubten wir zwar, wir würden die Welt verändern, und vielleicht haben wir das sogar getan, aber nur im ganz Kleinen. Wir waren eben in Alabama und damit mitten drin im Aufruhr. Martin Luther King. George Wallace. Die Aufhebung der Rassentrennung. Im Nachhinein erscheint alles ganz zwangsläufig und logisch, in der Schule lernt man alles in chronologischer Reihenfolge, aber wir steckten mitten im Chaos. Wir konnten nur tun, was uns möglich war – kleine Dinge, die wir für Heldentaten hielten.«
»Zum Beispiel?«
»Beim Mittagessen mit unseren schwarzen Freunden zusammensitzen oder sie zur Wählerregistrierung ins Rathaus begleiten oder neben ihnen stehen, wenn sie aus dem öffentlichen Brunnen tranken. Die Gesetze hatten sich geändert, die Menschen nicht.«
»Wart ihr jemals in Gefahr?«
Sie lächelte. »Das dachten wir jedenfalls. Vielleicht war es auch so. Aber das hier ist eine kleine Stadt, und alle wussten, wer unsere Mamas und Daddys waren, niemand hätte uns angerührt. Nach Montgomery blieben wir hier vor Ort.«
»Am Ende habt ihr aber doch euren Teil beigetragen. Etwas verändert.«
»Das wollen wir hoffen.«
»Sagst du mir wenigstens die Namen der anderen aus eurer Clique in jenem Sommer? Ich verspreche, dass ich deinen Namen nicht nenne. Ich will nur sehen, ob mir irgendeiner bekannt vorkommt …«
»Es wird dir nichts b
»Bitte.«
»Bitte frag nicht wieder.«
»Ich verstehe nicht, warum sein Name so ein Geheimnis ist.«
»Und ich verstehe nicht, warum du seinen Namen unbedingt wissen willst. Können wir also festhalten, dass wir einander nicht verstehen, und es damit gut sein lassen?« Wieder lag dieses Lächeln auf ihrem Gesicht.
Sie räumte den Frühstückstisch ab und stellte das Geschirr ins Waschbecken, erst dann sprach sie weiter. »Und, was steht heute auf deinem Plan?«, fragte sie, als hätten wir nie über meine Mutter gesprochen, als läge die Unterhaltung von eben lange in der Vergangenheit und ich wäregerade ins Zimmer gekommen. Wenn Birdie fertig war, war sie fertig.
»Ich fahre mit Hutch nach Montgomery, wir wollen uns im Archiv alte Filme ansehen.«
Das Wasser spritzte, die Teller klapperten gegeneinander, als Birdie sie abspülte und in den Geschirrspüler steckte. Sie wandte sich um und lächelte mir zu. »Dein alter Freund. Der Junge aus Linden?«
»Ja.«
Sie drehte sich zurück und sah mich über die Schulter an. »Ach, das wollte ich dir noch sagen. Ich gebe heute Abend eine Party und bereite den Fisch vom Jubilee zu. Ich habe fast alle eingeladen, die ich kenne.«
»Ich werde da sein«, sagte ich und gab ihr beim Hinausgehen einen Kuss auf die Wange.
Sicherheitshalber legte ich in Hutchs Cabrio den Gurt an, das Auto hatte schon bessere Zeiten gesehen. Das einstmals dunkelbraune Leder war speckig wie ein uralter Pferdesattel. Die dunkelblaue Farbe an der Außenseite war zu einem hellblauen Himmel verblichen.
Hutch sah mich an. »Es ist keine Luxuskarosse, aber keine Sorge, die alte Bette hat mir noch immer die Treue gehalten. Sie bringt uns dahin, wo wir hinwollen.«
»Ich habe mir keine Sorgen gemacht.« Ich schob mir die Sonnenbrille vor die Augen und band mein Haar mit einem Gummiband zusammen.
»Ah, ich habe gesehen, wie du sie kritisch beäugt hast.«
»Wieso Bette?«, fragte ich.
»Der Name gefiel mir einfach. Es klang so … zuverlässig.«
Ich lachte. »Fahren wir.«
Er ließ den Motor aufheulen und lachte ebenfalls. »Hör dir das an, sie legt für dich eine Showeinlage
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