Die Schwerelosen
gingen, bemerkte ich, dass das Orangenbäumchen in seinem furchtbaren Blumentopf, das ich vor ein paar Monaten dort oben gelassen hatte, nicht mehr da war.
*
Nella Larsen war Schriftstellerin. Sie war auch Mulattin und Dänin. Sie vereinte in sich, wie ein Paradoxon mit Hintern und Beinen, jene beiden Charakteristika, die die Owens von den Federicos dieser Welt trennten: das Dänische und das Mulattische, das Meine und das Seine. Nella lud uns zu einer Party bei sich zu Hause in der Second Avenue ein – eine Wohnung im siebten Stock mit Blick auf die ganze Stadt. Ich habe nur Schwarze eingeladen, aber du, Federico (das d in Federico sprach sie so aus, als halte sie eine Murmel zwischen den Zähnen), bist schwarz genug, und du, Gilberto, siehst nach Apache oder Suomi aus, und deine Nase ist hässlicher als die eines durchschnittlichen Mulatten. Außerdem brauchen wir für Federico einen Übersetzer. Ich lächelte ihr zu und sagte, Danke, Nella, und dann erklärte ich Federico: Nella sagt, zu ihrer Party kämen nur Schwarze, und er werde der einzige Weiße sein.
Federico war ganz hin und weg von Nellas kleinen, perfekt quadratischen Zähnen, ihrem kindlichen Schmollen, der Oberlippe, die etwas dunkler als die Unterlippe war; was mir gefiel, weiß ich nicht. Im Grunde, glaube ich, gefiel mir gar nichts an ihr, sie war mir sogar unsympathisch. Ich wollte nicht zu ihrer Einladung, Federico aber spielte den ewigen Neuankömmling in der Stadt und überredete mich. Ich weiß nicht, warum ich mich auf die Tortur der Künstlertreffen in Harlem einließ, zu denen ich Federico wie ein Chihuahua-Schoßhündchen begleitete und auf denen ich nie mehr als eine ferne Präsenz war, die weder singen noch tanzen konnte, nur übersetzen und ein bisschen bellen.
An jenem Abend bei Nella gab es sehr viel Whisky. Wir setzten uns um einen niedrigen Tisch, den Mittelpunkt des Raums. Federico war weiter weg, auf der anderen Seite des Zimmers, und ich hatte niemanden, mit dem ich reden konnte. Man servierte mir einen Drink, den ich schweigend schlürfte, bis durch den Torbogen, der das Wohnzimmer vom Esszimmer trennte, ein schlanker Mann trat, sehr jung und sehr dunkel und auf ganz eigene Weise manieriert. Das ist eine Überraschung, die ich für euch habe, Kinder, kündigte Nella an, und alle hörten auf zu reden. Sie drehte sich zu mir, Halbmondlächeln: ein kleines mexikanisches Juwel, Gilberto, das ich nur für dich hergebracht habe.
Die Gäste nahmen gleichgültig ihre Gespräche wieder auf, und der junge Mann kam und setzte sich neben mich, fast auf meinen Schoß, und reichte mir eine schlaffe Hand: José Limón, Maler und Tänzer. Maler oder Tänzer?, fragte ich und fand mich dann gleich selbst unangenehm. Die Dinge, die ich denke, habe ich noch nie in dem Ton herausgebracht, den ich mir vorstelle, bevor ich sie ausspreche. Das hat, glaube ich, damit zu tun, dass ich kein gutes Gehör habe. Deshalb bin ich auch immer ein schlechter Tänzer gewesen und habe nie ein Instrument gelernt. Und mit den Liedern geht es mir so: Ich höre sie im Kopf, ganz perfekt, kann sie dann aber nicht trällern. Und ich glaube, Eloquenz beim Sprechen beruht auf nichts anderem: die Dinge in eben dem Ton aussprechen zu können, den man sich vorstellt. Limón schien ein anständiger Junge zu sein. Mehr Tänzer, sagte er mit einem breiten, erklärenden Lächeln.
José Limón stammte aus Sinaloa, wie ich, und auch er hatte es noch als Kind verlassen. Er hatte eine affektierte Art, seine Geschichte zu erzählen; voller Zuversicht, als wisse er schon im Voraus, dass es sich bei ihm um eine Laufbahn und nicht einfach um ein Leben handele; ein Zug, der aus Sinaloa losfuhr, um irgendwo anzukommen. Es gibt Menschen, die ihr Leben als Folge von Ereignissen erzählen können, die zu einem Ziel führen. Gibst du ihnen eine Feder in die Hand, schreiben sie dir einen stinklangweiligen Roman, in dem keine Zeile absichtslos ist: Alles greift ineinander, wie bei der erstickenden Decke, die eine Großmutter für ihren Enkel strickt. Aber wenn du ihnen den Mund verbietest und sie tanzen oder malen lässt, verzeihst du ihnen schließlich die Hässlichkeit, das dümmliche Gesicht und die grenzenlose Arroganz eines hochbegabten Kindes.
Federico spielte irgendetwas sehr Spanisches auf dem Klavier. Die Gäste gerieten in Schwung und zogen die Jacken aus. Ich machte mich klein. Nella sang ein wenig, verbog den Text eines Blues, damit er in die offene Form passte, die Federico
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