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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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soll«, erwiderte er mit brutaler Offenheit.
    »Wenn ich bei Hof bleiben darf, dann schwöre ich Euch, daß ich den König dazu bringen kann, mich zu lieben«, versprach sie verzweifelt. »Bitte schickt mich nicht nach Hever zurück! Was gibt es dort schon für mich?«
    Er hob die Hand. »Es ist ja nicht für immer«, meinte er. »Nur über Weihnachten. Es ist deutlich zu sehen, daß Henry sehr in deinen Bann gezogen ist, aber ich weiß nicht, was wir damit anfangen sollen. Du kannst nicht mit ihm das Bett teilen, solange du selbst noch unverheiratet bist. Du mußt verheiratet sein, ehe du in sein Bett kannst, und kein Mann, der bei klarem Verstand ist, wird dich heiraten, während du die Favoritin des Königs bist. Es ist so verworren.«
    Sie verkniff sich eine Antwort und machte einen kleinen Knicks. »Ich bin Euch sehr dankbar«, knirschte sie durch die Zähne. »Aber ich begreife nicht, daß ich besser in der Lage sein soll, unserer Familie zu dienen, wenn Ihr mich über Weihnachten nach Hever schickt, weit weg vom Hof, weit weg vom König.«
    »Dann bist du aus dem Weg und lenkst den König nicht ab. Sobald er von Katherine geschieden ist, kann er Mary heiraten, Mary mit ihren beiden schönen Kindern. Mit einem Streich hätte er so eine Ehefrau und einen Erben. Du verwirrst die Sache nur, Anne.«
    »Ihr wollt mich also einfach im Bild übermalen?« fragte sie trotzig. »Wer seid Ihr denn? Meister Holbein?«
    »Halt den Mund!« herrschte meine Mutter sie an.
    |255| »Ich besorge dir einen Ehemann«, versprach mein Onkel. »Aus Frankreich, wenn nicht aus England. Wenn Mary erst Königin von England ist, kann sie dir einen Ehemann besorgen. Dann hast du die freie Auswahl.«
    Annes Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen. »Ich lasse mir von ihr keinen Ehemann schenken!« schwor sie. »Sie wird niemals Königin werden. Sie ist so hoch aufgestiegen, wie sie es bringen kann. Sie hat ihre Beine für ihn breit gemacht und ihm zwei Kinder geboren, und
immer noch
ist sie ihm eigentlich gleichgültig. Er mochte sie ganz gern, als er ihr den Hof machte, versteht ihr das nicht? Er ist Jäger, genießt die Jagd. Sobald er Mary eingefangen hatte, war der Spaß vorbei, und, weiß Gott, kaum eine Frau war je so leicht einzufangen. Inzwischen hat er sich an sie gewöhnt, sie ist ihm mehr Ehefrau als Geliebte – aber eine Ehefrau ohne Ehre, eine Ehefrau, die keinen Respekt genießt.«
    Sie hatte genau die falschen Worte gewählt. Onkel lächelte. »Eine Ehefrau? Das möchte ich doch hoffen. Wir bekommen jetzt alle ein wenig Ruhe vor dir. Wir wollen sehen, was Mary zuwege bringt, solange du nicht hier bist. Du hast dich zu Marys Rivalin entwickelt, und unsere Favoritin ist sie.«
    Ich lächelte Anne zuckersüß an und machte einen Knicks. »Ja, ich bin die Favoritin«, wiederholte ich. »Und sie soll verschwinden.«

|256| Winter 1526
    Als Anne nach Hever reiste, gab ich ihr in ihrer Truhe Weihnachtsgeschenke für meine Kinder mit: Catherine bekam ein kleines Haus aus Marzipan mit Dachziegeln aus gerösteten Mandeln und Fenstern aus Zuckerwatte. Ich bat Anne, es Catherine am Dreikönigstag zu geben und ihr zu erzählen, daß ihre Mutter sie liebte, sie vermißte und bald wieder zu ihr kommen würde.
    Anne ließ sich auf den Sattel ihres Jagdpferdes plumpsen. Es war ja niemand da, der sie hätte beobachten können, da lohnten sich elegante Manieren nicht.
    »Gott weiß, warum du ihnen nicht die Stirn bietest und mit nach Hever kommst, wenn du deine Kinder so sehr liebst«, flüsterte sie mir ein, sicher nur, um mich in Schwierigkeiten zu bringen.
    »Danke für deine guten Ratschläge«, erwiderte ich. »Ich bin sicher, du meinst es gut mit mir.«
    »Nun, Gott weiß, was sie sich denken, wenn sie dich hier allein lassen, ohne mich als Beraterin.«
    »Ja, Gott weiß«, antwortete ich fröhlich.
    »Es gibt eine Sorte Frauen, die die Männer heiraten, und eine andere Sorte, die sie nicht heiraten«, verkündete sie. »Und du bist die Sorte Mätresse, bei der ein Mann sich nicht die Mühe macht, sie zu heiraten, Söhne hin oder her.«
    Ich lächelte zu ihr auf. Mein Verstand funktionierte so viel langsamer als Annes, daß es mir immer große Freude bereitete, wenn ich auch einmal eine Waffe in die ungelenken Hände bekam. »Ja«, meinte ich, »da magst du wohl recht haben. Aber gewiß gibt es noch eine dritte Sorte Frauen, die Männer weder heiraten noch zur Mätresse nehmen. Frauen, die Weihnachten allein zu Hause verbringen. Und

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