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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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beschämend? Als sie mir die Rüstung umschnallten, wurde mir klar, daß ich mich fürchtete.«
    Ich wußte nicht, was ich darauf sagen sollte.
    »Das Turnierreiten ist eine gefährliche Angelegenheit«, fuhr er vorwurfsvoll fort. »Ihr Frauen auf der Tribüne, ihr denkt euch nichts dabei. Wenn man mitreitet, geht es um Leben und Tod. Das ist kein Spiel.«
    Ich wartete.
    »Was ist, wenn ich sterbe?« fragte er geradeheraus. »Was geschieht dann?«
    Einen schrecklichen Augenblick lang dachte ich, er fragte mich nach seiner unsterblichen Seele. »Niemand weiß das gewiß.«
    »Das meine ich nicht.« Er tat es mit einer Handbewegung ab. »Was wird aus dem Thron? Was wird aus der Krone meines Vaters? Er hat dieses Land nach jahrelangen Kämpfen endlich geeint, obwohl niemand geglaubt hätte, daß er es schaffen würde. Und er hatte zwei Söhne. Zwei Söhne, Mary! Nachdem Arthur gestorben war, konnte immer noch ich das Erbe antreten. Er hatte das Königreich gesichert, auf dem Schlachtfeld und im Bett. Ich habe ein Königreich mit befestigten Grenzen, gehorsamen Adeligen und einer Schatzkammer |260| voller Gold geerbt und habe niemanden, an den ich es weiterreichen könnte.«
    Sein Ton war so bitter, daß mir nichts einfiel, was ich darauf erwidern konnte. Ich neigte den Kopf.
    »Dieser Gedanke, dieses Streben nach Söhnen ermattet mich. Jeden Tag fürchte ich, ich könnte sterben, ehe ich einen Sohn gezeugt habe, der mir auf den Thron folgt. Ich kann nicht mehr an Turnieren teilnehmen, nicht einmal mehr leichten Herzens auf die Jagd gehen. Wenn ich ein Hindernis vor mir sehe, werfe ich nicht mein Herz voraus und vertraue darauf, daß mein Pferd es schon überwinden wird, nein, mir schießt das Bild durch den Kopf, wie ich mit gebrochenem Genick in einem Graben liege und die Krone Englands an einem Dornbusch baumelt, eine Beute für jeden, der sie sich nehmen will. Und wer wäre das?«
    Der Schmerz auf seinem Gesicht und in seiner Stimme war zuviel für mich. Ich schenkte ihm sein Glas wieder voll. »Es ist noch Zeit«, sagte ich. »Ihr habt doch mit mir Kinder gezeugt. Unser Sohn Henry ist Euch wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    Er zog den Umhang noch fester um sich. »Ihr könnt gehen«, sagte er. »Wartet George auf Euch, um Euch in Euer Gemach zu begleiten?«
    »Ja, wie immer«, erwiderte ich verblüfft. »Wollt Ihr wirklich nicht, daß ich bei Euch bleibe?«
    »In meinem Herzen ist es zu finster«, antwortete er offen. »Ich habe heute dem Tod ins Auge geblickt, und das hat mir jede Lust genommen, mich mit Euch zwischen den Laken zu vergnügen.«
    Ich machte einen Hofknicks. An der Tür blieb ich stehen. Er saß noch zusammengesunken auf seinem Stuhl und starrte in die Glut.
    »Ihr könntet mich heiraten«, sagte ich leise. »Wir haben doch schon zwei Kinder miteinander. Und eines davon ist ein Junge.«
    »Wie?« Er schaute zu mir auf, die blauen Augen von Verzweiflung umnebelt.
    |261| Mein Onkel hätte nun sicher gewollt, daß ich vorpreschte. Doch ich war noch nie eine Frau gewesen, die in solchen Situationen andere bedrängte.
    »Gute Nacht«, sagte ich sanft. »Gute Nacht, süßer Prinz.« Und ließ ihn allein mit seiner Finsternis.

|262| Frühling 1527
    Der Machtverlust der Königin wurde immer deutlicher. Im Februar empfing man bei Hof Gesandte aus Frankreich. Sie wurden nicht hingehalten, während man ihre Beglaubigungsschreiben prüfte, sondern man hieß sie mit Festen und Banketten willkommen. Schon bald wurde klar, daß sie die Heirat von Prinzessin Mary arrangieren sollten, entweder mit König François selbst oder mit seinem Sohn. Prinzessin Mary wurde an den Hof zitiert und den Gesandten vorgestellt. Man forderte sie auf, zu tanzen, zu musizieren, zu singen und zu essen. Mein Gott, wie sie das Kind zum Essen zwangen! Als könnte sie vor ihren Augen wachsen, um endlich eine ehefähige Größe zu erreichen. Mein Vater war im Gefolge der Gesandten aus Frankreich zurückgekehrt und nun überall dabei – er beriet den König, dolmetschte für die Gesandten, hielt geheime Konferenzen mit dem Kardinal ab und heckte schließlich mit meinem Onkel Pläne aus, wie unsere Familie aus diesen turbulenten Zeiten den größten Vorteil ziehen könnte.
    Die beiden entschieden, daß Anne zum Hof zurückkehren sollte, Vater wollte sie den französischen Gesandten vorführen. Onkel hielt mich auf dem Weg in die Gemächer der Königin an, um mir mitzuteilen, daß Anne zurückkommen würde.
    »Warum?« fragte ich so brüsk,

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