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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sagte ich und zog die Bettvorhänge zu. »Weck sie nicht auf. Ich kann sie keinen Augenblick länger ertragen, wirklich nicht.«
    George warf mir einen hellwachen Blick zu. »So schlimm?«
    »Sie hat meinen Platz eingenommen«, sagte ich schlicht.
    »Oh, meine Liebe.«
    Ich wandte den Kopf ab. »Alles, was ich gewonnen habe, hat sie mir genommen«, antwortete ich voll unterdrückter Wut.
    »Aber du begehrst ihn doch jetzt nicht mehr so sehr, oder?« fragte George.
    Ich schüttelte den Kopf. »Das bedeutet jedoch nicht, daß ich von Anne verdrängt werden möchte.«
    Er schlenderte mit mir zur Tür, den Arm um meine Taille gelegt, die Hand locker auf meiner Hüfte. Er küßte mich wie ein Liebhaber fest auf den Mund. »Weißt du, du bist die Süßere von euch beiden.«
    Ich lächelte ihn an. »Ich weiß, daß ich eine bessere Frau bin als sie. Sie besteht nur aus Eiseskälte und Ehrgeiz, und sie |247| würde dich lieber am Galgen sehen, als ihren Ehrgeiz aufzugeben. Ich weiß, daß er in mir eine Geliebte hat, die ihn um seiner selbst willen liebt. Doch Anne hat ihn geblendet, hat alle bei Hof geblendet, sogar dich.«
    »Mich nicht«, widersprach George sanft.
    »Onkel mag sie auch lieber«, maulte ich.
    »Der mag niemanden. Aber er überlegt, wie weit sie es noch bringen könnte.«
    »Das fragen wir uns alle. Und welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit ist. Besonders, wenn ich ihn bezahlen muß.«
    »Es ist kein leichtes Spiel, das sie da spielt«, gab George zu.
    »Ich hasse sie«, sagte ich schlicht. »Ich würde mit Vergnügen zusehen, wie sie an ihrem Ehrgeiz erstickt.«
     
    Der Hof sollte Prinzessin Mary in Ludlow Castle einen Besuch abstatten, und so reisten wir alle im Sommer gen Westen. Die Prinzessin war erst zehn, wirkte aber älter. Sie war gebildet, und man hatte sie in dem förmlichen, strengen Stil erzogen, den ihre Mutter vom spanischen Hof kannte. Zu ihrem eigenen kleinen Haushalt in Wales gehörten auch ein Priester, eine Gruppe von Lehrern und eine Gesellschafterin. Wir waren auf eine würdevolle kleine Dame gefaßt gewesen, ein Mädchen an der Schwelle zum Frausein.
    Es erwartete uns etwas völlig anderes.
    Sie trat in den großen Saal, wo ihr Vater beim Essen saß. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Sie war winzig, so klein wie eine Sechsjährige, ein vollkommenes Püppchen mit hellbraunem Haar und einem ernsten, bleichen Gesicht. Sie war so zart und zerbrechlich, wie es ihre Mutter bei der Ankunft in England gewesen war.
    Der König begrüßte sie zärtlich, doch ich konnte ihm das Entsetzen vom Gesicht ablesen. Er hatte sie seit über sechs Monaten nicht mehr gesehen und erwartet, sie zur jungen Frau erblüht vorzufinden. Dies war jedoch keine Prinzessin, die man innerhalb des nächsten Jahres verheiraten und in der sicheren Gewißheit in ihr neues Zuhause schicken konnte, daß sie in weiteren ein, zwei Jahren Kinder gebären würde. Sie |248| war selbst noch ein Kind, und ein bleiches, dünnes, schüchternes Kind dazu.
    Henry küßte sie, und ihr wurde ein Platz zu seiner Rechten am obersten Tisch angewiesen. Sie aß kaum etwas. Sie trank gar nichts. Wenn man sie ansprach, antwortete sie einsilbig und im Flüsterton. Zweifellos war sie gebildet. Alle ihre Lehrer erschienen einer nach dem anderen und versicherten dem König, daß sie Griechisch und Latein sprach, Additionstabellen zusammenstellen konnte und die Geographie ihres Fürstentums und des Königreiches kannte. Als Musik gespielt wurde und sie tanzte, bewegte sie sich elegant und leichtfüßig. Aber sie sah nicht wie ein Mädchen aus, das robust und fruchtbar war. Sie sah aus, als könne sie ganz leicht dahinwelken, sich eine Erkältung zuziehen und daran sterben. Das also war die einzige Erbin, die einzige rechtmäßige Anwärterin auf den Thron. Sie wirkte nicht einmal kräftig genug, das Zepter hochzuheben.
    An jenem Abend im Ludlow Castle kam mich George sehr früh holen. »Er hat äußerst schlechte Laune«, warnte er mich.
    Anne regte sich in unserem Bett. »Er ist wohl mit seiner kleinen Zwergentochter nicht zufrieden?«
    »Es ist wirklich unglaublich«, meinte George. »Sogar im Halbschlaf bist du noch giftig wie eine Natter, Anne. Mary, heute dürfen wir ihn auf keinen Fall warten lassen.«
    Als ich ins Zimmer kam, stand Henry beim Kamin und schob mit dem Fuß ein Holzscheit tiefer in die Glut. Er schaute kaum auf, als ich eintrat. Dann streckte er herrisch die Hand nach mir aus, und ich eilte in seine Arme.
    »Ein schwerer

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