Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
er mit einem Lachen in der Stimme. »Ich wußte nicht, daß auch du so schamlos bist.«
»Ach, doch nicht das!« rief ich entrüstet und schaute zur Seite, ehe jemand bemerkte, wie ich errötete.
Meine Kugel war schon recht früh nicht mehr im Spiel, und William sorgte dafür, daß auch er bald verlor. Wir ließen unsere Schillinge für den späteren Gewinner auf dem Rasen liegen und spazierten den Kiesweg zum Fluß hinunter, als wollten wir frische Luft schnappen. Vom Palast aus hatte man einen guten Blick auf den Garten. Deswegen wagte ich es nicht, William zu berühren oder mich bei ihm unterzuhaken. Wir gingen Seite an Seite wie höfliche Fremde. Erst als ich auf den Landesteg trat, konnte er mich am Ellbogen fassen, als wollte er mich stützen. Diese einfache Berührung wärmte mich durch und durch.
»Was ist los?« fragte er.
»Mein Onkel will mich wieder verheiraten.«
Sofort verdüsterte sich sein Antlitz. »Bald? Hat er dir schon einen Ehemann ausgesucht?«
»Nein. Sie denken darüber nach.«
|518| »Dann müssen wir bereit sein, wenn sie jemanden finden. Sobald sie soweit sind, müssen wir Farbe bekennen und hoffen, daß wir uns durchsetzen können.«
»Ja.« Ich betrachtete sein Profil und schaute danach wieder auf den Fluß. »Mein Onkel macht mir Angst«, gestand ich. »Als er sagte, er wolle mich wieder verheiratet sehen, da dachte ich einen Augenblick lang, ich müßte ihm gehorchen. Ich habe ihm immer gehorcht, weißt du. Alle gehorchen ihm. Sogar Anne.«
»Schau mich nicht so an, meine Liebste, sonst muß ich dich gleich hier umarmen, wo uns der ganze Palast sehen kann. Ich schwöre dir, du bist mein, und ich lasse dich mir von niemandem mehr wegnehmen. Du bist mein. Ich bin dein. Das kann niemand leugnen.«
»Sie haben Anne auch Henry Percy weggenommen«, sagte ich. »Und sie war ebenso verheiratet wie wir.«
»Er war ein junger Spund«, antwortete William. »Niemand tritt zwischen mich und die Meinen.« Er hielt inne. »Aber wir müssen vielleicht einen hohen Preis dafür zahlen. Wäre Anne auf deiner Seite? Wenn sie uns unterstützt, sind wir in Sicherheit.«
»Sie wird nicht gerade erfreut sein«, überlegte ich laut, da ich die Selbstsucht meiner Schwester nur zu gut kannte. »Aber es schadet ihr nicht.«
»Dann warten wir, bis man uns in die Enge getrieben hat, und gestehen alles«, beschloß er. »Und in der Zwischenzeit sind wir so charmant wie irgend möglich.«
Ich lachte. »Zum König?«
»Zueinander«, erwiderte er. »Wer ist für mich der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt?«
»Ich«, antwortete ich mit leiser Freude. »Und du für mich.«
Wir verbrachten die Nacht aneinandergeschmiegt im Zimmer eines kleinen Gasthauses. Wir schliefen eng umschlungen ein, als könnten wir es nicht ertragen, voneinander getrennt zu sein, als könnten wir sogar im Schlaf nicht voneinander lassen. Im Morgengrauen liebten wir uns noch einmal, bis die Morgensonne |519| hell durch die Fensterläden fiel und der Lärm im Hof unten uns daran erinnerte, daß wir schleunigst zum Palast zurück mußten.
William fuhr zusammen mit mir in einer kleinen Jolle flußaufwärts und half mir am Landesteg aus dem Boot. Er selbst wollte ein wenig weiter flußabwärts an Land gehen und eine halbe Stunde nach mir in den Palast zurückkehren. Ich war gerade durch das Gartentor ins Haus getreten und wollte mich zu meinem Zimmer schleichen, um rechtzeitig zur Morgenmesse zu kommen, als plötzlich George wie aus dem Nichts auftauchte. »Gott sei Dank, du bist zurück. Noch eine oder zwei Stunden, dann hätten es alle gewußt.«
»Was ist los?« fragte ich rasch.
Sein Gesicht war finster. »Anne liegt zu Bett.«
»Ich gehe zu ihr«, antwortete ich sofort und rannte den Flur entlang. Ich klopfte an die Tür von Annes Schlafzimmer und streckte den Kopf ins Zimmer. Sie lag allein in dem imposanten Raum auf dem Bett, schwach und bleich.
»Ach, du bist es«, sagte sie unfreundlich. »Kannst hereinkommen.«
Ich trat ins Zimmer. George schloß die Tür hinter uns. »Was ist los?« fragte ich.
»Ich blute«, erwiderte sie knapp. »Und ich habe schreckliche Krämpfe, wie Geburtsschmerzen. Ich glaube, ich verliere das Kind.«
Ich konnte das Grauen in ihren Worten kaum fassen. Ich war mir meiner zerzausten Haare bewußt und roch Williams Duft noch auf jedem Zoll meines Körpers. Der Kontrast zwischen meiner Liebesnacht und dieser heraufziehenden Katastrophe überwältigte mich.
»Wir sollten eine Hebamme
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