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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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holen«, meinte ich.
    »Nein!« zischte Anne. »Begreifst du denn nicht? Dann wird es aller Welt bekannt. Im Augenblick ist es nur ein Gerücht, niemand weiß mit Sicherheit, ob ich schwanger bin oder nicht. Man darf auf keinen Fall erfahren, daß ich das Kind verloren habe.«
    »Das ist unrecht«, sagte ich tonlos zu George. »Wir reden |520| von einem Kind. Wir können kein Kind sterben lassen, nur weil wir uns vor einem Skandal fürchten. Bringen wir sie in eines der einfacheren hinteren Zimmer. Dann verdecken wir ihr Gesicht und ziehen die Vorhänge zu. Ich hole eine Hebamme und sage ihr, es handle sich um eine der Bediensteten bei Hof, keine wichtige Persönlichkeit.«
    George zögerte. »Wenn das Kind wieder nur ein Mädchen ist, ist es das Risiko nicht wert«, meinte er. »Dann wäre es ohnehin besser tot.«
    »Um Gottes willen, George! Es ist ein Kind! Eine Seele! Unser Fleisch und Blut! Natürlich müssen wir das Kind retten, wenn wir können.«
    Sein Gesicht war wie versteinert, und einen Augenblick lang sah er überhaupt nicht mehr wie mein geliebter Bruder aus, sondern wie einer jener Höflinge, die jedes Todesurteil unterzeichnen würden, solange nur ihre eigene Sicherheit gewahrt bliebe.
    »George!« rief ich. »Wenn es ein Boleyn-Mädchen ist, so hat sie genauso viel Recht zu leben wie Anne oder ich!«
    »Nun gut«, sagte er zögernd. »Ich bringe Anne in ein anderes Zimmer. Du besorgst eine Hebamme, aber diskret. Wen schickst du?«
    »William«, antwortete ich.
    »O Gott, William!« meinte er gereizt. »Muß er unbedingt alles über uns wissen? Kennt er überhaupt eine Hebamme? Wie will er so schnell eine finden?«
    »Er geht ins Bordell«, erwiderte ich brüsk. »Die brauchen dort bestimmt manchmal eilig eine. Und er wird aus Liebe zu mir den Mund halten.«
    George nickte und ging zum Bett. Ich hörte seine zärtlich geflüsterte Erläuterung und Annes gemurmelte Antwort. Ich rannte zur Hintertür des Palastes, wo William jeden Augenblick hereinspaziert kommen würde.
     
    Ich traf ihn gleich auf der Schwelle und schickte ihn nach einer Hebamme aus. Innerhalb einer Stunde war er mit einer adretten jungen Frau zurück, die einen kleinen Beutel voller Flaschen und Kräuter bei sich trug.
    |521| Ich führte sie in das kleine Zimmer, in dem Georges Pagen schliefen. Sie schaute sich in dem verdunkelten Raum um und schrak zurück. In einer grotesken Laune hatten Anne und George in den Kostümkisten des Hofes eine Maske gesucht, die nun ihr wohlbekanntes Gesicht verbarg. Sie hatten die goldene Vogelmaske ausgewählt, die Anne in Frankreich getragen hatte. Anne, die vor Schmerzen wimmerte, lag, von flackernden Kerzen beleuchtet, auf einem schmalen Bett. Ihr riesig geschwollener Bauch erhob sich unter dem Laken, und darüber war das glänzende goldene Habichtgesicht zu sehen. Annes dunkle Augen blitzten durch die Sehschlitze, während zwischen ihren Schenkeln das Laken bereits blutverschmiert war.
    Die Hebamme schaute sie an, versuchte sie sowenig wie möglich zu berühren. Sie richtete sich auf und stellte eine Reihe von Fragen: Wie schnell die Schmerzen aufeinanderfolgten, wie stark sie waren, wie lange sie andauerten. Dann sagte sie, sie könne einen heißen Molketrank bereiten, der Anne einschläfern würde und mit dem man vielleicht das Kind retten könnte. So könnte ihr Körper sich ausruhen, und so würde auch das Kind Ruhe bekommen. Anne wandte den Kopf ab und sagte nichts.
    Die Hebamme bereitete über dem Feuer den Molketrank und flößte ihn Anne aus einem Zinnkrug ein. George hielt sie fest, bis sie sich schwer an seine Schulter lehnte. Die grausige goldene Maske schaute uns in wildem Triumph an, als die Hebamme Anne sanft zudeckte. Die Frau ging zur Tür. George legte Anne vorsichtig in die Kissen und folgte uns. »Wir dürfen sie nicht verlieren. Wir können es nicht ertragen, sie zu verlieren«, sagte er leidenschaftlich.
    »Dann betet für sie«, meinte die Frau knapp. »Es liegt alles in Gottes Hand.«
    George murmelte etwas und ging ins Schlafgemach zurück. Ich verabschiedete mich von der Frau, und William begleitete sie durch die dunklen Flure zum Palasttor. Ich kehrte ins Zimmer zurück. George und ich saßen zu beiden Seiten des Bettes, während Anne schlief und im Schlaf stöhnte.
     
    |522| Nun mußten wir sie wieder in ihr eigenes Zimmer bringen und dann verkünden, daß es ihr nicht gut ginge. George spielte in ihrem Audienzzimmer Karten, als hätte er keine Sorge auf der Welt. Die

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