Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
hin!«
»Wer ist es?« fragte Anne scharf.
»Madge Shelton«, erwiderte mein Onkel.
»Oh, Madge«, sagte ich, und mir fiel ein Stein vom Herzen vor Erleichterung. »
Dieses
Howard-Mädchen.«
»Sie wird ihn zu beschäftigen wissen, und sie kennt ihren Platz«, meinte mein Vater weise, als verpflichtete er nicht gerade eben eine weitere Nichte zu Ehebruch und Sünde.
»Und Euer Einfluß bleibt unvermindert bestehen«, zischte Anne.
Onkel lächelte. »Das ist natürlich wahr, aber wen hättet Ihr lieber? Ein Seymour-Mädchen? Da es nun einmal sicher so kommen wird, ist es wohl besser, das Mädchen tut, was wir ihm sagen?«
»Das hängt davon ab, was Ihr sagt«, erwiderte Anne knapp.
»Sie soll ihn ablenken, während Ihr in der Wöchnerinnenstube seid«, erklärte Onkel aalglatt. »Sonst nichts.«
»Ich werde nicht dulden, daß sie sich als seine Mätresse einnistet, sich in den besten Gemächern herumtreibt, Juwelen und neue Kleider trägt und sich großartig aufspielt«, warnte Anne.
»Ja, denn Ihr wißt ja wohl selbst am besten, wie schmerzlich das für eine gute Ehefrau sein kann«, pflichtete mein Onkel ihr bei.
Anne schoß ihm einen bösen Blick aus ihren dunklen Augen zu. Er lächelte. »Sie soll den König während Eurer Zeit in der Wöchnerinnenstube ablenken, und wenn Ihr wieder bei Hof seid, verschwindet sie«, versprach er. »Ich sehe zu, daß wir sie gut verheiraten, und dann vergißt Henry sie so schnell, wie er sie genommen hat.«
Anne trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Wir sahen alle, wie sie mit sich kämpfte. »Ich wünschte, ich könnte Euch trauen, Onkel.«
»Ich wünschte, Ihr würdet mir trauen.« Er mußte über ihr Zögern lächeln. Er wandte sich mir zu, und ich verspürte das |516| altvertraute Beben. »Madge Shelton teilt sich mit dir ein Zimmer, nicht wahr?«
»Ja, Onkel«, erwiderte ich.
»Sag ihr, wie sie sich zu verhalten hat. Und du, George, sorgst dafür, daß die Augen des Königs nur auf Anne und Madge ruhen.«
»Ja, Sir«, antwortete George leichthin, als sei es schon immer sein sehnlichster Wunsch gewesen, im königlichen Harem den Kuppler zu spielen.
»Gut«, meinte Onkel und erhob sich zum Zeichen, daß die Versammlung beendet war. »Oh, und noch etwas …« Wir warteten geduldig. Nur Anne schaute aus dem Fenster.
»Mary«, bemerkte mein Onkel.
Ich zuckte bei der Erwähnung meines Namens zusammen.
»Ich denke, wir sollten sie wieder verheiraten.«
»Ich würde mich freuen, wenn sie sich noch vor der Niederkunft ihrer Schwester verloben könnte«, erwiderte mein Vater. »So gibt es keine Ungewißheit, falls Anne versagt.«
Niemand schaute zu Anne, die vielleicht wieder mit einem Mädchen schwanger war und so unsere Position auf dem Heiratsmarkt schwächen könnte. Auch mich sahen sie nicht an, die eingetauscht werden sollte wie eine Kuh auf dem Viehmarkt. Sie sahen nur sich, Viehhändler, die ein Geschäft abzuschließen hatten.
»Nun gut«, sagte mein Onkel. »Ich werde mit Sekretär Cromwell reden. Es ist Zeit, daß wir sie wieder verheiraten.«
Ich trennte mich von Anne und George und machte mich auf den Weg in die Gemächer des Königs. William war nicht im Audienzzimmer, und ich wagte es nicht, in den Privatgemächern nach ihm zu schauen. Ein junger Mann mit einer Laute kam vorbei, Mark Smeaton, ein Musiker Sir Francis Westons. »Habt Ihr Sir William Stafford gesehen?« fragte ich ihn.
Er machte eine elegante Verbeugung. »Ja, Lady Carey«, erwiderte er. »Er spielt noch Bowling.«
Ich nickte und ging zum Großen Saal. Sobald ich außer Sichtweite war, schlüpfte ich durch eine der kleinen Türen |517| hinaus auf die breite Terrasse vor dem Palast und dann die Steintreppe hinunter in den Garten. Das Bowling-Spiel war zu Ende. William hob gerade die Kugeln auf. Er lächelte mir zu. Die anderen begrüßten mich und forderten mich zu einem Spiel auf.
»Oh, nun gut«, antwortete ich. »Was ist der Einsatz?«
»Ein Schilling das Spiel«, sagte William. »Ihr seid unter die Glücksritter geraten, Lady Carey.«
Ich zog einen Schilling aus meiner Börse und legte ihn als Einsatz hin. Dann nahm ich eine Kugel und rollte sie vorsichtig über den Rasen. Sie war weit von der Zielkugel entfernt. Ich machte einem anderen Spieler Platz, und plötzlich stand William dicht neben mir.
»Alles in Ordnung?« fragte er mich leise.
»Halbwegs«, erwiderte ich. »Aber ich muß so bald wie möglich mit dir allein sein.«
»Oh, mir geht es genauso«, antwortete
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