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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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antwortete sie. »Aber bald muß es sein.«
    »Amen«, bekräftigten George und ich fromm. »Amen.«
     
    Unsere Gebete wurden erhört. Im Januar blieb Annes Blutung aus, im Februar wieder. Als im Frühjahr die Spargelspitzen sprossen, aß die Königin sie zu jeder Mahlzeit, denn man |512| wußte, daß sie gut für die Geburt eines Jungen waren. Die Leute begannen bereits Fragen zu stellen. Niemand wußte mit Sicherheit Bescheid. Anne hatte ständig ein kleines Lächeln auf den Lippen und genoß es, wieder einmal im Mittelpunkt zu stehen.

|513| Frühling 1534
    Erneut verzögerten sich die Pläne des Hofes für die sommerliche Staatsreise. Anne saß derweil heiter inmitten eines Wirbels aus Klatsch und Tratsch, die Hand leicht auf den Bauch gelegt. Der Klatsch blühte. George, meine Mutter und ich wurden ständig mit Fragen belästigt, ob sie wirklich schwanger sei, wann die Niederkunft sein würde. Niemand wollte bei diesem heißen Wetter in der Nähe der pestgefährdeten Straßen Londons verharren, doch der Gedanke an die Niederkunft der Königin und die Möglichkeiten zur Beförderung, die sich boten, wenn der einsame König Gesellschaft brauchte, übten eine starke Anziehungskraft aus.
    Soweit wir wußten, sollten wir den Sommer in Hampton Court verbringen. Ein Besuch in Frankreich zur Unterzeichnung des Vertrags mit François war verschoben worden.
    Im Mai berief unser Onkel den Familienrat ein. Anne lud er nicht dazu, denn sie war nun jenseits seiner Befehlsgewalt. Sie war jedoch so neugierig, daß sie ihre Ankunft in seinen Gemächern auf die Sekunde genau plante. Wir hatten uns gerade alle hingesetzt, als sie eintrat. Sie zögerte ein wenig an der Tür. Onkel erhob sich von seinem Platz am Kopfende des Tisches, um einen Stuhl für sie zu holen. Sobald sein Platz frei geworden war, schritt sie langsam zum Kopfende und setzte sich ohne ein Wort des Dankes dorthin. Ich konnte ein winziges Kichern nicht unterdrücken, und Anne warf mir ein rasches Lächeln zu. Nichts liebte sie mehr, als die Macht auszuüben, für die sie so teuer bezahlt hatte.
    »Ich habe die Familie zusammengerufen, um herauszufinden, wie Eure Pläne sind, Majestät«, sagte mein Onkel aalglatt. »Es wäre hilfreich, wenn wir wüßten, ob Ihr wirklich schwanger seid und wann Eure Niederkunft zu erwarten ist.«
    |514| Anne zog eine dunkle Augenbraue in die Höhe, als sei seine Frage unverschämt gewesen. »Das fragt Ihr
mich

    »Ich wollte Eure Schwester oder Eure Mutter fragen, aber da Ihr nun einmal hier seid, kann ich Euch genausogut auch selbst fragen«, antwortete er. Er war keineswegs eingeschüchtert. Er hatte schon wesentlich furchterregenderen Monarchen gedient: Henrys Vater und Henry selbst. Er hatte Kavallerieangriffe überlebt. Nicht einmal Anne in all ihrer königlichen Würde konnte ihn das Fürchten lehren.
    »Im September«, erwiderte sie knapp.
    »Wenn es wieder ein Mädchen ist, wird Henry diesmal seine Enttäuschung zeigen«, prophezeite mein Onkel. »Es hat ihm schon genug Schwierigkeiten bereitet, Elizabeth in der Erbfolge vor Mary zu setzen. Der Tower ist voll von Männern, die sich geweigert haben, Mary abzuschwören. Thomas More und Fisher werden sich sicher noch dazugesellen. Wenn Ihr einen Jungen auf die Welt bringt, könnte ihm niemand sein Recht auf den Thron streitig machen.«
    »Es wird ein Junge«, sagte Anne bestimmt.
    Onkel lächelte sie an. »Das hoffen wir alle. Der König wird sich eine andere Frau ins Bett nehmen, wenn Ihr in den letzten Monaten der Schwangerschaft seid.« Obwohl Anne den Kopf hob, um zu widersprechen, ließ er sich nicht unterbrechen. »Das macht er immer, Anne. Ihr müßt darüber ruhig Blut bewahren, ihn bloß nicht deswegen beschimpfen.«
    »Ich werde es nicht zulassen«, sagte sie tonlos.
    »Ihr werdet es zulassen müssen«, erwiderte er, so kompromißlos wie sie.
    »Er hat in all den Jahren, seit er begonnen hat, mir den Hof zu machen, keine andere angeschaut«, sagte sie. »Nicht ein einziges Mal.«
    George blickte mich vielsagend an. Ich schwieg. Ich schien nicht zu zählen.
    Mein Onkel lachte kurz auf, und ich sah meinen Vater lächeln.
    »Den Hof machen, das ist eine andere Sache. Jedenfalls haben wir das Mädchen ausgewählt, das ihn ablenken soll«, fuhr mein Onkel fort. »Ein Howard-Mädchen.«
    |515| Ich merkte, wie mir der Schweiß ausbrach. Ich wußte, daß ich ganz bleich geworden war, als George mir plötzlich aus dem Mundwinkel zuzischte: »Setz dich gerade

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