Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Tür. Wir anderen blieben draußen zurück.
William lächelte mir zu. »Welch glückliches Zusammentreffen, meine liebe Frau«, sagte er freundlich. »Was meint Ihr, werdet Ihr Eure gegenwärtigen Gemächer noch lange bewohnen? Oder möchtet Ihr bald wieder mich als Bettgenossen?«
»Das wird von den Anweisungen der Königin und unseres Onkels abhängen«, erwiderte George gelassen, während seine Hand an seinem Gürtel entlang zum Schwert glitt. »Marianne kann diese Entscheidung nicht selbst treffen, wie Ihr sehr wohl wißt.«
William nahm diese Herausforderung nicht an. Er schenkte |107| mir ein trauriges Lächeln. »Frieden, George«, meinte er. »Ich brauche Eure Erläuterungen nicht. Ich sollte die Lage inzwischen verstanden haben.«
Ich schaute weg. Lord Percy hatte Anne in einen Alkoven geleitet, und ich hörte, wie sie verführerisch über etwas lachte, was er zu ihr gesagt hatte.
»Laßt uns Wein trinken«, schlug William vor. »Wer würfelt gegen mich?«
»Ich«, antwortete George, ehe er mich herausfordern konnte. »Was soll der Einsatz sein?«
»Oh, nur ein paar Kronen«, meinte William. »Ich würde Euch ungern wegen meiner Spielschulden zum Feind haben, Boleyn.«
»Oder aus irgendeinem anderen Grund«, erwiderte mein Bruder süß. William zog Würfel aus der Tasche und warf sie auf den Tisch. Ich schenkte ihm ein Glas Wein ein und stellte es neben ihn hin. Es tröstete mich, ihn zu umsorgen, während der Mann, den ich liebte, im Zimmer nebenan seiner Frau beiwohnte. Ich hatte das Gefühl, daß man mich abgeschoben hatte, und ich wußte nicht, ob es für immer so bleiben würde.
Wir spielten bis Mitternacht, und immer noch war der König nicht wieder aufgetaucht.
»Was meint Ihr?« fragte William George. »Wenn er vorhat, die Nacht bei ihr zu verbringen, könnten wir uns doch auch zu Bett legen.«
»Wir gehen«, bestimmte Anne. Sie streckte mir gebieterisch die Hand entgegen.
»So bald schon?« flehte Lord Percy. »Die Sterne gehen doch auch nachts erst auf.«
»Und dann verblassen sie im Morgengrauen«, antwortete Anne. »Dieser Stern jedenfalls muß sich jetzt in Dunkelheit hüllen.«
Ich erhob mich, um mit ihr aufzubrechen. Mein Ehemann sah mich einen Augenblick lang an. »Gebt mir einen Gutenachtkuß, Frau«, forderte er mich auf.
Ich zögerte ein wenig und durchquerte dann das Zimmer. Er hatte wohl einen kühlen Kuß auf die Wange erwartet, aber |108| statt dessen beugte ich mich herab und küßte ihn auf den Mund. Ich merkte, wie er auf meine Berührung reagierte. »Gute Nacht, mein lieber Mann. Ich wünsche Euch frohe Weihnachten.«
»Gute Nacht, meine liebe Frau. Mit Euch zusammen wäre mein Bett heute nacht wärmer gewesen.«
Ich nickte. Dem hatte ich nichts hinzuzufügen. Unwillkürlich blickte ich zu der verschlossenen Tür, hinter der der Mann, den ich anbetete, in den Armen seiner Frau schlummerte.
»Vielleicht landen wir schließlich alle doch wieder bei unseren Ehefrauen«, meinte William leise.
»Ganz sicher«, erwiderte George fröhlich und strich seinen Gewinn ein. »Denn wir werden nebeneinander beerdigt, wie immer auch im Leben unsere Vorlieben gewesen sein mögen. Denkt an mich, wie ich neben Jane Parker zu Staub zerfalle.«
Sogar William mußte lachen.
»Wann ist der glückliche Tag?« erkundigte er sich. »Euer Hochzeitstag?«
»Irgendwann nach Mittsommer. Falls ich meine Ungeduld so lange bezähmen kann.«
»Sie bringt eine schöne Mitgift mit in die Ehe«, bemerkte William.
»Ach, wer schert sich denn darum?« rief Lord Percy aus. »Nur die Liebe zählt.«
»So spricht einer der reichsten Männer des Königreichs«, spöttelte mein Bruder.
Anne hielt Percy ihre Hand hin. »Achtet nicht auf ihn, Mylord. Ich bin Eurer Meinung. Nur die Liebe zählt. Ich jedenfalls denke das.«
»Nein, das denkst du nicht«, sagte ich, sobald die Tür hinter uns zugefallen war.
Anne schenkte mir ein winziges Lächeln. »Ich wünschte, du würdest dir die Mühe machen, darauf zu achten, mit wem ich rede, und nicht darauf, was ich sage.«
|109| »Percy von Northumberland? Du sprichst von einer Liebesheirat mit Percy von Northumberland?«
»Genau. Du kannst deinem Mann so viel in die Ohren säuseln, wie du magst, Mary. Wenn ich heirate, dann mache ich eine weit bessere Partie als du.«
|110| Frühling 1523
In den ersten Wochen des neuen Jahres war die Königin wunderbar verjüngt, blühte auf wie eine Rose im warmen Zimmer, hatte stets ein Lächeln auf den Lippen.
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