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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Sie legte das härene Hemd ab, das sie gewöhnlich unter ihren Gewändern trug. Die rauhen Stellen am Nacken verschwanden, als hätte ihre Freude sie ausgelöscht. Sie verriet den Grund für diese Veränderung niemandem, doch ihre Zofe plauderte aus, daß ihre Regel ausgeblieben war und die Wahrsagerin recht behalten hatte: Die Königin war schwanger.
    Nach ihren vielen Fehlgeburten hatte sie allen Grund, auf Knien vor der Muttergottes zu beten, das Gesicht in ihrer kleinen Gebetsnische zur Madonnenstatue emporgereckt. Jeden Morgen war sie dort zu finden, eine Hand auf dem Bauch, eine auf dem Gebetbuch, mit geschlossenen Augen und verzücktem Gesichtsausdruck.
    Die Zofen tratschten, daß die Laken auch im Februar wieder unbefleckt waren. Wir vermuteten, daß sie dem König bald Bescheid sagen würde. Schon jetzt schaute er drein wie ein Mann, der gute Nachrichten erwartet, und übersah mich, als sei ich unsichtbar. Ich mußte vor seinen Augen tanzen, seiner Frau Gesellschaft leisten, das hämische Grinsen der Hofdamen ertragen und mir eingestehen, daß ich jetzt nicht mehr die Favoritin des Königs war, sondern nur noch ein Boleyn-Mädchen.
    »Ich halte es nicht mehr aus«, sagte ich zu Anne, während wir in den Gemächern der Königin am Kamin saßen. Die anderen führten die Hunde spazieren, doch Anne und ich hatten uns geweigert, ins Freie zu gehen. Nebel zog vom Fluß herauf, und es war bitterkalt. Ich bibberte, obwohl ich ein pelzverbrämtes Gewand trug. Ich hatte mich seit jenem Weihnachtsabend |111| nicht mehr wohl gefühlt, als Henry an mir vorüber ins Gemach der Königin geschritten war. Seither hatte er nicht mehr nach mir geschickt.
    »Du nimmst es dir zu sehr zu Herzen«, meinte Anne zufrieden. »Das kommt davon, wenn man einen König liebt.«
    »Was hätte ich denn sonst machen können?« fragte ich jammervoll. Ich ging zum Fensterplatz, um besseres Licht für meine Näharbeit zu haben. Ich säumte im Auftrag der Königin Hemden für die Armen, und nur weil sie für alte Arbeiter bestimmt waren, hieß das nicht, daß ich schlampig arbeiten durfte.
    »Wenn sie ein Kind bekommt und es ein Sohn ist, hättest du genausogut auch bei William Carey bleiben und eine eigene Familie gründen können«, meinte Anne. »Dann tanzt der König nur noch nach ihrer Pfeife, und deine Zeit ist vorbei. Dann bist du nur noch eine unter vielen.«
    »Er liebt mich«, sagte ich unsicher. »Ich bin nicht eine unter vielen.«
    Ich wandte den Kopf ab und schaute aus dem Fenster. Der Nebel zog in großen Schwaden vom Fluß herauf.
    Anne lachte boshaft. »Du warst immer nur eine unter vielen«, sagte sie erbarmungslos. »Es gibt Dutzende von uns Howard-Mädchen, alle sind wir wohlerzogen, gebildet, hübsch, jung und fruchtbar. Sie können ihm eine nach der anderen vorführen und sehen, ob eine Glück hat. Sie haben nichts zu verlieren, wenn er eine nach der anderen nimmt und wieder fortschickt. Sie haben stets noch ein anderes Howard-Mädchen in der Hinterhand, es wächst in den Kinderzimmern immer schon die nächste kleine Hure heran. Du warst bereits vor deiner Geburt nur eine unter vielen. Wenn er dich nicht behält, dann gehst du zu William zurück, sie finden ein anderes Howard-Mädchen, das ihn verführen kann, und der Tanz fängt wieder von vorn an. Und für die Howards ist nichts verloren.«
    »Aber für mich!« rief ich aus.
    Sie legte den Kopf schief und schaute mich nachdenklich an. »Ja. Vielleicht. Deine Unschuld, deine erste Liebe, dein Vertrauen. Vielleicht hat er dir auch das Herz gebrochen. Vielleicht |112| heilt es nie mehr. Arme dumme Marianne«, sagte sie leise. »Auf Befehl eines Mannes warst du einem anderen zu Gefallen und hast nichts als Herzschmerz davon.«
    »Wer kommt nach mir?« fragte ich sie spöttisch. »Wer ist deiner Meinung nach das nächste Howard-Mädchen, das sie ihm ins Bett legen? Laß mich raten – das andere Boleyn-Mädchen?«
    Sie funkelte mich finster an, dann senkte sie die Augen. »Ich nicht«, antwortete sie. »Ich habe eigene Pläne. Ich gehe das Risiko nicht ein, daß er mich nimmt und wieder fallenläßt.«
    »Du hast mir selbst gesagt, ich sollte es drauf ankommen lassen«, erinnerte ich sie.
    »Das warst eben du«, erwiderte sie. »Ich wollte mein Leben nicht so führen wie du. Du wirst immer machen, was man dir sagt, heiraten, wen man dir vorschreibt, in das Bett gehen, das man dir befiehlt. Ich bin nicht wie du. Ich finde meinen eigenen Weg.«
    »Ich könnte auch meinen eigenen

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