Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
machte.
    »Wozu wollt Ihr das Bild?« fragte ich neugierig, während ich versuchte, stillzusitzen und das Lächeln auf meinen Lippen zu halten.
    »Wartet nur ab.«
    Der Künstler legte das Papier zur Seite. »Ich bin fertig.«
    Henry streckte mir die Hand entgegen und zog mich hoch. »Dann, meine Süße, wollen wir nach Hause reiten und zu Abend essen. Wir nehmen den Weg über die Wiesen am Wasser. Von dort kann man einen guten Galopp bis zum Schloß einlegen.«
    Die Reitknechte hatten unsere Pferde im Schritt bewegt, damit sie sich nicht erkälteten. Henry half mir in den Sattel und schwang sich danach ebenfalls aufs Pferd. Er versicherte sich mit einem Blick über die Schulter, daß alle bereit waren. Lord Percy zog gerade Annes Sattelgurt fester an. Sie blickte zu ihm hinunter und schenkte ihm ihr träges, herausforderndes Lächeln. Nun machten wir alle kehrt und ritten nach Greenwich zurück, während die Sonne purpurrot im kalten Winterhimmel unterging.
     
    Das Weihnachtsessen dauerte beinahe den ganzen Tag, und ich war sicher, daß Henry in jener Nacht nach mir schicken würde. Statt dessen verkündete er, er würde die Königin besuchen. |105| Ich war eine der Hofdamen, die mit ihr warten mußten, bis er endlich vom Trinkgelage mit seinen Kumpanen in die Gemächer der Königin kommen würde.
    Anne drückte mir ein halbgesäumtes Hemd in die Hand und setzte sich neben mich. Dabei klemmte sie den Rock meines weit ausgebreiteten Kleides so fest ein, daß ich nicht aufstehen konnte, wenn sie es nicht zuließ. »Ach, laß mich doch in Ruhe«, murmelte ich halblaut.
    »Schau nicht so traurig drein«, zischte sie mir zu. »Näh deinen Saum und lächle, als würde es dir Spaß machen. Kein Mann wird dich begehren, wenn du so ein verdrießliches Gesicht ziehst.«
    »Aber daß er ausgerechnet die Weihnachtsnacht mit ihr verbringt …«
    Anne nickte. »Willst du wissen, warum?«
    »Ja.«
    »Irgendeine jämmerliche Wahrsagerin hat ihm prophezeit, daß er heute nacht einen Sohn zeugen wird. Er hofft, daß ihm die Königin ein Herbstkind schenkt. Großer Gott, was für Narren die Männer sind!«
    »Eine Wahrsagerin?«
    »Ja. Sie hat ihm einen Sohn versprochen, falls er auf alle anderen Frauen verzichtet. Keine Frage, wer sie dafür bezahlt hat.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich denke, der Frau würde wohl das Gold der Seymours aus den Taschen rollen, wenn wir sie auf den Kopf stellten und ordentlich schüttelten. Doch dazu ist es jetzt zu spät. Der Schaden ist da. Er wird heute nacht und jede Nacht bis zum Dreikönigstag im Bett der Königin verbringen. Also sorge du gefälligst dafür, daß er sich erinnert, was ihm entgeht, wenn er hier vorbeikommt, um seine ehelichen Pflichten zu erfüllen.«
    Ich senkte den Kopf noch tiefer über meine Näharbeit. Anne beobachtete mich genau und sah, daß mir eine Träne auf den Saum des Hemdes fiel und daß ich sie mit dem Finger wegwischte.
    »Kleine Närrin«, schalt sie mich. »Du bekommst ihn doch zurück.«
    |106| »Mir ist der Gedanke zuwider, daß er bei ihr liegt«, flüsterte ich. »Ich frage mich, ob er sie wohl auch Süße nennt?«
    »Wahrscheinlich«, erwiderte Anne. »Nur wenige Männer sind so geistreich, daß sie ihre Liebesschwüre gelegentlich ein wenig abwandeln. Sobald er seine ehelichen Pflichten erfüllt hat, schaut er sich nach neuer Abwechslung um. Wenn du dann seinen Blick auf dich ziehen kannst und lächelst, bist wieder du am Zug.«
    »Wie kann ich lächeln, wenn mir das Herz bricht?«
    Anne kicherte leise. »Was für eine göttliche Tragödin du doch bist! Natürlich kannst du lächeln, wenn dir das Herz bricht! Schließlich bist du eine Frau, du bist bei Hof, und du bist eine Howard. Das sind schon drei Gründe, die dich geradezu prädestinieren, eines der hinterlistigsten Geschöpfe auf Gottes Erde zu sein. Jetzt aber psst – da kommt er.«
    Zuerst trat George ein, warf mir ein schnelles, kleines Lächeln zu und kniete sich zu Füßen der Königin nieder. Sie reichte ihm hold errötend die Hand, strahlte vor Freude, weil der König zu ihr kam. Nun erschien Henry zusammen mit meinem Ehemann William, eine Hand auf Lord Percys Schulter gelegt. Er schritt mit kaum einem Kopfnicken an mir vorüber, obwohl Anne und ich in einen tiefen Hofknicks gesunken waren, sobald er den Raum betrat. Er ging schnurstracks zur Königin, küßte sie auf den Mund und führte sie in ihr Privatgemach. Die Zofen begleiteten sie, kamen kurz darauf wieder heraus und schlossen die

Weitere Kostenlose Bücher