Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
nickte. »Und dann ist alles vorbei. Es sei denn, sie stirbt, natürlich.«
»Wenn sie stirbt, könnte er dich heiraten«, sagte ich hoffnungsvoll.
Anne zuckte die Achseln. »Du Närrin«, antwortete sie brüsk. »Ich kann ja wohl kaum in der vagen Hoffnung auf ihn warten, daß Mary Talbot eines schönen Tages tot umfällt. Ich bin schließlich eine ziemliche gute Partie, wenn dieser Skandal erst einmal überstanden ist, nicht? Besonders, wenn du einen Sohn bekommst. Dann bin ich die Tante vom Bankert des Königs.«
Unbewußt legte ich schützend die Hände auf den Bauch, als sollte mein Kind nicht mit anhören, daß nur ein Junge wirklich erwünscht war. »Es wird den Namen Carey tragen«, erinnerte ich sie.
»Aber was ist, wenn es ein Junge ist, gesund und stark und mit goldenem Haar?«
»Dann nenne ich ihn Henry.« Ich lächelte bei dem Gedanken an einen starken Buben mit goldenem Haar. »Und ich bezweifle nicht, daß der König etwas sehr Schönes für ihn tun wird.«
»Und wir steigen alle auf«, ergänzte George. »Als Tanten und Onkel des Königssohns, vielleicht gibt es ein kleines Herzogtum für ihn, vielleicht eine Grafschaft. Wer weiß?«
»Und du, George?« erkundigte sich Anne. »Bist du fröhlich in dieser fröhlichen, fröhlichen Nacht? Ich hätte gedacht, daß du lärmend durch die Stadt ziehst und dich in die Gosse säufst, nicht, daß du hier mit zwei Frauen hockst, einer kugelrunden und einer mit gebrochenem Herzen.«
George schenkte sich Wein ein und blickte finster in sein Glas. »Eine kugelrunde und eine mit gebrochenem Herzen, das paßt beinahe vollkommen zu meiner Stimmung«, meinte er. »Ich könnte heute um alles in der Welt nicht singen oder |163| tanzen. Sie ist wirklich überaus giftig, nicht? Meine Geliebte? Meine Zukünftige? Sagt mir die Wahrheit. Es liegt doch nicht nur an mir, oder? Sie hat etwas, das einen zurückschrecken läßt, oder?«
»Ach, Unsinn«, antwortete ich rundweg. »Sie ist nicht giftig.«
»Sie hat mich schon lange nervös gemacht«, meinte Anne unverblümt. »Wann immer es Gerüchte oder gefährliche Skandale gibt, wann immer jemand Tratsch erzählt, stets ist sie dabei. Sie hört alles, beobachtet alle und denkt von allen nur das Schlechteste.«
»Ich habe es gewußt«, sagte George finster. »O Gott! Was für eine Ehefrau!«
»Vielleicht hält sie in der Hochzeitsnacht noch eine Überraschung für dich bereit«, meinte Anne listig und nahm noch einen Schluck Wein.
»Wie bitte?«
Anne schaute ihn über den Rand ihres Glases hinweg mit hochgezogener Augenbraue an. »Sie weiß sehr gut Bescheid für eine Jungfrau«, erklärte sie. »Über Dinge, die eigentlich nur verheiratete Frauen angehen. Und Huren.«
George stand der Mund offen. »Sag bloß, daß sie keine Jungfrau mehr ist!« rief er aus. »Dann könnte ich doch vielleicht noch aus der Sache herauskommen!«
Anne schüttelte den Kopf. »Ich habe sie nie mit einem Mann irgend etwas tun sehen, das nicht ziemlich gewesen wäre«, sagte sie. »Wer würde das, um Gottes willen, auch mit ihr tun wollen? Doch sie beobachtet und lauscht überall schamlos. Vor einiger Zeit habe ich sie mit einem der Seymour-Mädchen flüstern hören – über eine, die einmal beim König gelegen hat – nicht über dich«, fügte sie mit raschem Blick in meine Richtung hinzu. »Da ging es um sehr weltliche Dinge: wie man mit offenem Mund küßt, mit der Zunge leckt, ob man auf dem König oder unter ihm liegen solle, wohin man mit den Händen fahren solle, was man tun könne, um ihm Vergnügen zu bereiten, das ihm unvergeßlich bleibt.«
»Und sie kennt all diese französischen Sitten?« fragte George verdattert.
|164| »Es hat sich ganz so angehört«, erwiderte Anne und lächelte über sein Erstaunen.
»Bei Gott!« rief George, schenkte sich noch mehr Wein ein. »Vielleicht werde ich ja in der Ehe viel glücklicher, als ich dachte. Wohin man mit den Händen fahren soll, was? Und wohin sollte man damit fahren, Mistress Annamaria? Denn du hast ja dieses Gespräch belauscht?«
»Ach, frag mich nicht«, antwortete Anne. »Ich bin ja noch Jungfrau. Du kannst sie alle fragen: Mutter, Vater, unseren Onkel. Frag Kardinal Wolsey, der hat es schließlich offiziell verkündet. Ich bin Jungfrau, geprüft, offiziell besiegelt und beeidigt. Wolsey, der Erzbischof von York höchstpersönlich, sagt es. Jungfräulicher kann man nicht sein.«
»Ich werde dir von allem berichten«, erklärte George nun viel fröhlicher. »Ich schreibe
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