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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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nickte.
    Ich erhob mich von meinem Platz beim Kamin und setzte mich ans Fenster. »Vielleicht gehe ich noch an die frische Luft«, sagte ich.
    Sie wandte mir den Kopf zu. »Du bleibst hier!« befahl sie barsch.
    Gehorsam und die Unterwerfung unter ihren Willen war mir eine feste Gewohnheit. »Natürlich, Frau Mutter. Aber ich darf doch im Garten spazierengehen?«
    »Nein«, erwiderte sie knapp. »Vater und Onkel haben angeordnet, daß du im Haus zu bleiben hast, bis Northumberland mit Henry Percy fertig ist.«
    |155| »Ich werde das wohl kaum dadurch verhindern können, daß ich im Garten spaziere«, protestierte ich.
    »Du könntest ihm eine Botschaft zukommen lassen.«
    »Das würde ich nicht tun!« rief ich aus. »Ihr könnt weiß Gott alle sehen, daß ich wirklich und wahrhaftig immer mache, was man mir sagt. Ihr habt mich mit zwölf Jahren verheiratet, Madam. Und kaum zwei Jahre später, als ich gerade einmal vierzehn Jahre alt war, habt Ihr diese Ehe wieder beendet. Noch vor meinem fünfzehnten Geburtstag war ich die Bettgefährtin des Königs. Das beweist doch sicherlich, daß ich immer getan habe, was mir diese Familie gesagt hat? Wenn ich nicht für meine eigene Freiheit kämpfen konnte, dann werde ich wohl kaum für die meiner Schwester kämpfen?«
    Sie nickte. »Und das ist auch gut so«, meinte sie. »Es gibt für Frauen auf dieser Welt keine Freiheit, ganz gleich, wie sehr sie kämpfen. Sieh nur, wohin es Anne gebracht hat.«
    »Ja«, sagte ich. »Nach Hever. Wo sie zumindest die Freiheit hat, aufs Land hinauszugehen.«
    Meine Mutter blickte mich überrascht an. »Das klingt ganz, als wärest du neidisch.«
    »Mir gefällt es dort sehr«, antwortete ich. »Manchmal denke ich, daß ich Hever dem Hof vorziehe. Aber Anne werdet ihr damit das Herz brechen.«
    »Ihr Herz muß brechen, und auch ihren Geist müssen wir brechen, wenn sie ihrer Familie nur den geringsten Nutzen bringen soll«, erwiderte meine Mutter kühl. »Man hätte es bereits in ihrer Kindheit tun müssen. Ich dachte, man würde euch beide am französischen Hof Gehorsam lehren, doch man scheint dort nachlässig gewesen zu sein. Dann muß es eben jetzt nachgeholt werden.«
    Es klopfte an der Tür. Ein Mann in schäbiger Kleidung stand linkisch auf der Schwelle.
    »Ein Brief für Mistress Anne Boleyn«, sagte er. »Für niemanden sonst, nur für sie. Und der junge Herr hat gesagt, ich soll zusehen, wie Ihr ihn lest.«
    Ich zögerte, blickte zu meiner Mutter herüber. Sie nickte |156| kurz. Ich brach das rote Siegel mit dem Wappen von Northumberland auf und faltete das steife Papier auseinander.
     
    Meine liebe Gattin,
    Ich werde meinen Schwur nicht brechen, wenn auch Ihr zu der Treue steht, die wir einander gelobt haben. Ich verlasse Euch nicht, wenn Ihr mich nicht verlaßt. Mein Vater ist außerordentlich erzürnt über mich, der Kardinal ebenfalls, und ich fürchte das Schlimmste für uns. Aber wenn wir zueinanderhalten, können sie uns nicht trennen. Schickt mir einen Brief, nur ein Wort, daß Ihr zu mir haltet, und dann halte ich zu Euch.
    Henry
     
    »Er hat gesagt, ich soll auf Antwort warten«, meinte der Mann.
    »Draußen«, befahl meine Mutter und machte ihm die Tür vor der Nase zu. Sie wandte sich zu mir. »Schreibe eine Antwort.«
    »Er kennt ihre Handschrift«, widersprach ich störrisch.
    Sie legte ein Blatt Papier vor mich hin, gab mir eine Feder in die Hand und diktierte:
     
    Lord Henry,
    Mary schreibt dies für mich, da mir verboten wurde, Feder und Papier zu benutzen, um Euch zu schreiben. Es hat alles keinen Sinn. Sie werden uns nicht heiraten lassen, und ich muß Euch aufgeben. Stellt Euch nicht um meinetwillen gegen den Kardinal und Euren Vater, denn ich habe ihnen gesagt, daß ich mich fügen werde. Es war nur ein Verlöbnis
de futuro
und ist für keinen von uns bindend. Ich entbinde Euch also von Eurem halben Versprechen und bin damit auch von dem meinen entbunden.
     
    »
Ihr brecht den beiden damit das Herz«, sagte ich, während ich Sand über die feuchte Tinte streute.
    »Vielleicht«, erwiderte meine Mutter kühl. »Junge Herzen heilen schnell, und Herzen, denen halb England gehört, haben Besseres zu tun, als aus Liebe schneller zu schlagen.«

|157| Winter 1523
    Nun war Anne in der Verbannung und ich das einzige Boleyn-Mädchen am Hof. Nachdem die Königin beschlossen hatte, den Sommer bei Prinzessin Mary zu verbringen, ritt ich mit Henry an der Spitze des Hofstaats über Land. Wir verbrachten einen wunderbaren

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