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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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dir nach Hever, Anne, und dann kannst du Großmutter Boleyn meine Briefe vorlesen.«
     
    An seinem Hochzeitsmorgen war George bleich wie eine Braut. Nur Anne und ich wußten, daß es nicht die Folgen des Trinkgelages am Vorabend waren. Er lächelte nicht, als Jane Parker zum Altar trat. Doch sie strahlte für beide.
    Mit über dem Bauch gefalteten Händen überlegte ich, daß ich vor langer Zeit selbst hier gestanden und versprochen hatte, allen anderen abzuschwören und mich nur an William Carey zu binden. William schaute mit einem kleinen Lächeln zu mir herüber, als ginge auch ihm durch den Kopf, daß wir damals, vor vier Jahren, unsere heutige Situation nicht vorausahnen konnten, als wir einander an den Händen hielten und hoffnungsfroh in die Zukunft blickten.
    König Henry stand vorn in der Kirche und beobachtete die Trauung meines Bruders. Ich überlegte, welche Vorteile mein Bauch meiner Familie bescherte. Zu meiner Hochzeit war der König zu spät gekommen und war auch weniger zu Ehren der Familie Boleyn erschienen, als um seinem guten Freund William einen Gefallen zu tun. Nun war er unter den ersten Gratulanten und führte zusammen mit mir die Hochzeitsgäste zum Festmahl. Mutter strahlte mich an, während sich Anne leise durch |165| die Seitentür aus der Kirche stahl, aufs Pferd stieg und, nur von einem einzigen Bediensteten begleitet, nach Hever zurückritt.
    Ich dachte an ihren einsamen Heimweg: Die Burg würde hübsch wie ein Spielzeug im Mondlicht liegen. Der Weg würde sich durch die Bäume zur Zugbrücke schlängeln. Die Kette würde rasseln, während die Zugbrücke herabgelassen wurde. Ich dachte daran, wie der Mond in den Burghof schien und sich die unregelmäßige Linie der Giebel vor dem Nachthimmel abzeichnete, und ich wünschte mir von ganzer Seele, die Herrin von Hever zu sein und nicht hier bei dieser höfischen Maskerade die Königin zu spielen. Ich wünschte mir, einen ehelichen Sohn unter dem Herzen zu tragen, wünschte mir, daß ich mich aus dem Fenster lehnen und über mein Land blicken könnte. Wenn es auch vielleicht nur ein kleiner Gutshof wäre, so wüßte ich doch, daß all das eines Tages rechtmäßig ihm zustehen würde.
    Statt dessen war ich die Boleyn im Glück, vom Schicksal und vom König begünstigt. Eine Boleyn, die nicht im Traum ahnen konnte, wie weit ihr Sohn es einmal bringen würde.

|166| Sommer 1524
    Ich zog mich den ganzen Juni vom Hof zurück, um mich auf mein Wochenbett vorzubereiten. Ich ließ einen verdunkelten Raum mit Wandteppichen aushängen, denn ich sollte weder Tageslicht sehen noch frische Luft atmen, ehe ich sechs lange Wochen nach der Geburt meines Kindes wieder zum Vorschein kam. Insgesamt würde ich also zweieinhalb Monate lebendig begraben sein. Meine Mutter und zwei Hebammen sorgten für mich. Ein paar Mägde und eine Zofe halfen ihnen. Draußen vor der Kammer lösten einander zwei Heilkundige ab, die Tag und Nacht warteten, daß man sie zu Hilfe rief.
    »Darf Anne mich besuchen?« bat ich meine Mutter, als ich den verdunkelten Raum betrachtete.
    Sie runzelte die Stirn. »Vater hat angeordnet, daß sie in Hever bleiben muß.«
    »O bitte«, sagte ich. »Die Zeit wird mir so lang werden, und ich hätte sie gern zur Gesellschaft.«
    »Sie darf dich besuchen«, beschloß meine Mutter. »Aber es geht nicht an, daß sie dabei ist, wenn der Sohn des Königs geboren wird.«
    »Oder die Tochter«, erinnerte ich sie.
    Sie schlug das Kreuzzeichen über meinem Bauch. »So Gott will, ist es ein Junge«, flüsterte sie.
    Ich sagte nichts mehr, war es zufrieden, meinen Willen durchgesetzt zu haben: Anne durfte mich besuchen. Sie kam für einen Tag und blieb zwei. Sie hatte sich in Hever sehr gelangweilt. Großmutter Boleyn hatte sie zur Weißglut getrieben. Sie sehnte sich verzweifelt fort, selbst wenn das Ziel der Reise ein abgedunkeltes Zimmer war, in dem ihre Schwester sich die Zeit damit vertrieb, kleine Hemdchen für einen königlichen Bankert zu säumen.
    |167| »Warst du auch drüben auf dem Gutshof?« fragte ich.
    »Nein«, erwiderte sie. »Ich bin mal vorbeigeritten.«
    »Ich wüßte zu gern, wie dieses Jahr die Erdbeerernte war.«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Und der Hof der Peters? Bist du zur Schafschur bei ihnen gewesen?«
    »Nein«, antwortete sie.
    »Weißt du, wie dieses Jahr die Heuernte war?«
    »Nein.«
    »Anne, was um alles in der Welt machst du denn da draußen den ganzen Tag lang?«
    »Ich lese«, sagte sie. »Ich übe meine Musik. Ich habe

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