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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ein, lag schwer atmend halb über mir. Sein Bart war heiß in meinem Nacken, sein saurer Atem in meinem Gesicht. Ich hätte schreien mögen über sein Gewicht und seinen Gestank, aber ich lag reglos da. Ich war eine Boleyn. Ich war keine kleine Schlampe aus einer der Küchen, die ein wenig Unbehagen nicht ertragen konnte. Ich lag da und wünschte mich in mein eigenes kleines Zimmer, in mein bequemes Bett. Sorgsam vermied ich jeden Gedanken an meine Kinder: die kleine Catherine in ihrem Bettchen in Hever, und Henry in seiner Wiege in Windsor. Ich durfte nicht weinen, während ich im Bett des Königs lag. Ich mußte bereit sein, ihn mit einem Lächeln zu begrüßen, wann immer er aufwachte.
    Zu meiner Überraschung regte er sich um zwei Uhr morgens. »Zündet eine Kerze an«, sagte er. »Ich kann nicht schlafen.«
    |224| Ich erhob mich vom Bett und spürte, wie mir alle Knochen im Leib weh taten, nachdem ich unbequem unter seinem Körpergewicht gelegen hatte. Ich schürte die Glut des Feuers und zündete an den Flammen eine Kerze an. Henry setzte sich auf und zog die Decke um die nackten Schultern. Ich schlüpfte in mein Gewand und setzte mich neben den Kamin, wartete ab, was er nun von mir wünschen würde.
    Ich bemerkte mit Entsetzen, daß er nicht glücklich aussah. »Was ist los, mein Lord?«
    »Warum, denkt Ihr, konnte mir die Königin keinen Sohn schenken?«
    Ich war so überrascht, daß ich nicht schnell und aalglatt antworten konnte wie ein Höfling. »Ich weiß es nicht. Es tut mir leid, Sir. Jetzt ist es für sie zu spät.«
    »Das ist mir auch klar«, erwiderte er ungeduldig. »Aber warum ist es vorher nicht geschehen? Als ich sie heiratete, war ich ein junger Mann von achtzehn Jahren, und sie war dreiundzwanzig. Sie war wunderschön, so wunderschön, daß ich es Euch kaum erzählen kann. Und ich war der schönste Prinz Europas.«
    »Ihr seid es noch«, antwortete ich rasch.
    Er warf mir ein kleines, selbstgefälliges Lächeln zu. »Nicht François?«
    Mit einer Handbewegung tat ich den französischen König ab. »Nichts, verglichen mit Euch.«
    »Ich stand in voller Manneskraft«, fuhr er fort. »Jedermann weiß das. Und sie wurde sofort schwanger. Wußtet Ihr, wie bald nach der Hochzeit sie gespürt hat, daß das Kind sich regte?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Vier Monate!« sagte er. »Denkt nur. Ich hatte sie im ersten Monat unserer Ehe schon geschwängert. Was sagt das über meine Manneskraft?«
    Ich wartete.
    »Eine Totgeburt«, fügte er hinzu. »Nur ein Mädchen. Eine Totgeburt im Januar.«
    Ich blickte von seinem unglücklichen Gesicht in die Flammen des Feuers.
    |225| »Sie wurde wieder schwanger«, erzählte er weiter. »Diesmal war es ein Junge. Prinz Henry. Wir haben ihn taufen lassen. Wir haben ihm zu Ehren ein Turnier ausgerichtet. Nie im Leben war ich glücklicher. Prinz Henry, nach mir und meinem Vater benannt. Mein Sohn. Mein Erbe. Am ersten Januar geboren. Im März war er tot.«
    Mich überlief es kalt bei dem Gedanken, daß mein Henry, den man mir weggenommen hatte, in drei Monaten ebenfalls tot sein könnte. Der König war ganz weit weg von mir, in der Vergangenheit, als er ein junger Mann gewesen war, nicht viel älter als ich heute.
    »Bevor wir gegen die Franzosen in den Krieg zogen, war schon wieder ein Kind unterwegs«, sagte er. »Eine Fehlgeburt im Oktober. Ein herbstlicher Verlust, der dem Sieg gegen die Franzosen jeden Glanz nahm. Der auch ihr den Glanz nahm. Zwei Jahre danach im Frühling wieder eine Totgeburt, noch ein Junge. Noch ein Kind, das Prinz Henry geworden wäre, wenn es am Leben geblieben wäre. Aber es ist gestorben. Keiner von ihnen hat lange gelebt.«
    »Ihr hattet Prinzessin Mary«, erinnerte ich ihn flüsternd.
    »Sie kam als nächste«, erklärte er. »Und ich war sicher, daß wir den Bann gebrochen hatten. Ich dachte – Gott weiß, worauf ich hoffte, aber ich dachte, wir hätten einiges Pech gehabt oder eine Krankheit oder dergleichen, die sich jetzt ausgetobt hätte. Daß sie nun, da sie ein Kind geboren hatte, das überlebte, auch weitere bekommen würde. Aber es dauerte nach Mary zwei Jahre, bis sie erneut schwanger wurde. Und dann war es wieder ein kleines Mädchen – noch eine Totgeburt.«
    Ich holte tief Luft. Ich hatte den Atem angehalten, als ich dieser vertrauten Geschichte lauschte. Die schreckliche Aufzählung der toten Kinder anzuhören war so schmerzhaft wie die Erinnerung an den Anblick der Mutter auf dem Betstuhl, als sie die Namen der

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