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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Aufgabe unseres Onkels, stets daran zu denken, wie er die Familie weiterbringen kann. Wir sind alle nur Stufen auf dieser Leiter.«
    Ich hätte mich von ihm losgerissen, doch er hielt mich fest. »Ich will keine Stufe sein!« rief ich. »Wenn ich irgend etwas sein will, dann Besitzerin eines kleinen Gutes in Kent, mit meinen beiden Kindern, die neben mir in meinem Bett schlafen, und mit einem guten Ehemann, der mich liebt.«
    Im schattigen Schloßhof lächelte George zu mir herab, legte mir sanft einen Finger unter das Kinn und drehte mein Gesicht zu sich, küßte mich dann ganz leicht auf den Mund. »Das hätten wir alle gern«, versicherte er mir fröhlich und verlogen. »In tiefster Seele sind wir alle ganz schlichte Leute. Aber einige von uns sind zu Höherem berufen. Du, Mary, bist die größte Boleyn bei Hof. Freu dich. Denk nur, wie wütend Anne sein wird, wenn sie es hört.«
     
    |231| Ich machte an jenem Tag mit dem König eine lange Jagdpartie, die uns Meilen den Fluß entlangführte. Als wir zum Palast zurückkehrten, konnte ich mir keine Pause zum Ausruhen gönnen und war vor Erschöpfung den Tränen nah. An jenem Abend gab es ein Picknick am Flußufer. Musikanten spielten auf Barken, und die Hofdamen der Königin präsentierten ein lebendes Bild. Der König, die Königin, ihre Hofdamen und ich schauten vom Ufer aus zu. Anne fuhr auf einer der Barken mit, streute Blütenblätter in die Wellen und posierte wie eine Galionsfigur am Bug des Bootes. Ich bemerkte, daß Henry seine Augen nicht von ihr losreißen konnte. Andere Damen auf der Barke standen neben ihr und kokettierten mit ihren weiten Röcken, als man ihnen beim Aussteigen behilflich war. Doch nur Anne bewegte sich so, als beobachtete sie jeder Mann der Welt, schritt einher, als sei sie unwiderstehlich. Sie machte das so ungeheuer überzeugend, daß tatsächlich jeder Mann bei Hof zu ihr hinstarrte und sie unwiderstehlich fand. Als die letzte Note verklungen war, drängten sich die Herren um sie. Anne trat einen Schritt auf dem Steg zurück und lachte, als wäre sie überrascht über die Tollheit der jungen Männer. Ich merkte, wie sich ein Lächeln auf Henrys Gesicht stahl. Anne zog sich zurück, als sei keiner gut genug für sie, ging geradewegs auf den König und die Königin zu und sank vor ihnen in einen tiefen Hofknicks.
    »Hat das lebende Bild den Majestäten gefallen?« fragte sie, als hätte man ihnen freiwillig einen besonderen Gefallen getan und nicht auf Geheiß der Königin getanzt.
    »Sehr nett«, erwiderte die Königin wenig ermutigend.
    Anne warf dem König unter gesenkten Lidern einen heißen Blick zu. Dann machte sie erneut einen Hofknicks und schlenderte zu mir herüber, um sich neben mich zu setzen.
    Henry wandte sich wieder dem Gespräch mit seiner Ehefrau zu. »Ich statte Prinzessin Mary einen Besuch ab, wenn ich diesen Sommer meine Staatsreise durch das Land mache«, erklärte er.
    Die Königin wußte ihre Überraschung zu verbergen. »Wo werden wir sie treffen?«
    |232| »Ich sagte,
ich
würde sie treffen«, erwiderte Henry eiskalt. »Und sie kommt dorthin, wohin ich es ihr befehle.«
    Sie zuckte nicht mit der Wimper. »Ich würde meine Tochter auch gern sehen«, sagte sie. »Unser letztes Treffen ist viele Monate her.«
    »Vielleicht«, meinte Henry, »kann sie zu Euch kommen. Wo immer Ihr Euch befindet.«
    Die Königin nickte, nahm zur Kenntnis, daß alle Mitglieder des Hofes sich die Hälse verrenkten, um auch ja mitzubekommen, daß sie diesen Sommer nicht mit dem König reisen sollte.
    »Danke«, erwiderte sie mit schlichter Würde. »Ihr seid sehr gütig. Sie schreibt mir, daß sie große Fortschritte im Griechischen und Lateinischen macht. Ich hoffe, Ihr stellt fest, daß sie eine sehr wohlerzogene Prinzessin ist.«
    »Griechisch und Latein werden ihr wohl beim Gebären von Söhnen und Erben nicht viel nutzen«, sagte der König barsch. »Sie sollte besser keine buckelige Gelehrte werden. Die erste Pflicht einer Prinzessin ist es, die Mutter eines Königs zu werden. Wie Ihr wohl wißt, Madam.«
    Die Tochter Isabellas von Spanien, eine der intelligentesten und gebildetsten Frauen Europas, faltete die Hände im Schoß und blickte auf die kostbaren Ringe an ihren dünnen Fingern herab. »Das ist mir bewußt.«
    Henry sprang auf und klatschte in die Hände. Die Musikanten hörten sofort zu spielen auf und erwarteten seinen Befehl. »Spielt einen ländlichen Tanz!« rief er. »Wir wollen vor dem Essen tanzen!«
    Schon

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