Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
sagte zu George: »Beim nächsten |219| Tanz trete ich an die Seite Eurer Schwester, wenn sie nicht zu müde ist.«
»Sie wird sich geehrt fühlen.«
Ich lächelte strahlend. »An der Seite von Eurer Majestät könnte ich die ganze Nacht hindurch tanzen.«
George verneigte sich. Ich sah noch, wie er Anne an einer Falte ihres Gewandes fortzog.
Der König und ich faßten einander an den Händen und begannen den Tanz.
Unter der engen Schnürung meines Mieders schmerzte mein Bauch. Ich spürte, wie mir der Schweiß zwischen den Brüsten nach unten rann. Ich lächelte weiter – strahlend und freudlos. Wenn ich Henry allein für mich hätte, dachte ich, dann könnte ich ihn überreden, daß ich meine Kinder in Hever sehen dürfte, während er im Sommer auf die Jagd ging. Beim Gedanken an meinen kleinen Sohn taten mir die Brüste weh, die noch schwer von Milch waren. Ich lächelte, als wäre ich voller Freude. Über den Kreis der Tänzer hinweg blickte ich zum Vater meiner Kinder und lächelte ihn an, als könnte ich es kaum erwarten, wieder das Bett mit ihm zu teilen, um seinetwillen und nicht wegen der Vorteile, die es mir und den Meinen bringen würde.
Anne wachte an jenem Abend mit boshafter Gründlichkeit über meine Waschungen, klatschte mir ein kaltes nasses Tuch um den Leib und beschwerte sich darüber, daß das Wasser blutig war.
»Großer Gott, du widerst mich an«, sagte sie. »Wie wird er das nur ertragen?«
Ich hüllte mich in ein Laken und entwirrte mein Haar, ehe Anne sich mit dem Läusekamm auf mich stürzen und mir die Haare ausreißen konnte.
»Vielleicht schickt er nicht nach mir«, meinte ich. Ich war müde vom Tanzen und hatte zudem noch eine halbe Stunde stehen müssen, während sich Henry förmlich von seiner Königin verabschiedete. Jetzt wollte ich nur noch in mein Bett sinken.
|220| Es klopfte an der Tür, Georges Signal. Er steckte den Kopf ins Zimmer. »Gut«, lobte er, als er mich gewaschen und halbnackt sah. »Er will dich. Wirf dir einfach ein Kleid über und komm mit.«
»Er muß ein wahrhaft mutiger Mann sein«, keifte Anne gehässig. »Ihre Brüste triefen vor Milch, sie blutet, und beim geringsten Anlaß bricht sie in Tränen aus.«
George kicherte wie ein kleiner Junge. »Gott segne dich, Annamaria, du bist wirklich die Liebenswürdigkeit in Person. Mary wacht sicher jeden Morgen auf und dankt Gott, daß er ihr eine so nette Schwester wie dich geschenkt hat, die sie tröstet und aufmuntert.«
Anne hatte den Anstand, ein wenig verlegen zu schauen.
»Gegen die Blutung habe ich etwas«, meinte er. Er zog einen kleinen Wattebausch aus der Tasche. Ich schaute ihn mißtrauisch an.
»Was ist das denn?«
»Eine von den Huren hat es mir erklärt. Du schiebst es dir unten rein, und es stillt eine Weile die Blutung.«
Ich verzog das Gesicht. »Ist es dann nicht im Weg?«
»Nein, sagt sie, nein. Mach es, Marianne. Du mußt heute nacht in sein Bett.«
»Dann schau weg«, befahl ich ihm. George wandte sich zum Fenster, und ich mühte mich mit ungeschickten Fingern ab.
»Laß mich«, meinte Anne ärgerlich. »Gott weiß, alles andere mache ich sowieso schon für dich.«
Sie schob mir das Zeug hinein und drückte noch einmal fest nach. Ich keuchte vor Schmerz. »Du mußt das Mädchen nicht gleich umbringen«, tadelte George mild.
»Es muß tief rein, oder nicht?« fragte Anne, wütend und hochrot im Gesicht. »Sie muß doch zugestopft werden, oder nicht?«
George reichte mir die Hand. Ich taumelte vom Bett, wimmernd vor Schmerzen. »Großer Gott, Anne, wenn du je den Hof verläßt, kannst du dir deinen Lebensunterhalt als Hexe verdienen«, meinte er freundlich. »Das zarte Händchen dafür hast du schon.«
|221| Sie blickte ihn finster an.
»Warum bist du eigentlich so mißmutig?« fragte er, während ich in mein Kleid und die Schuhe mit den hohen Absätzen schlüpfte.
»Bin ich doch gar nicht«, antwortete Anne.
»Oho!« kommentierte er und verstand plötzlich. »Jetzt begreife ich, kleine Mistress Anne. Sie haben dir gesagt, daß du wieder zurücktreten und ihn Mary überlassen sollst. Du darfst nur noch Hofdame der alten Königin sein, während deine Schwester die Stufen zum Thron erklimmt.«
Sie schaute ihn voller Groll an, und ihre Schönheit war von der Eifersucht völlig überschattet. »Ich bin neunzehn Jahre alt«, erwiderte sie bitter. »Der halbe Hof hält mich für die schönste Frau der Welt. Alle wissen, daß ich die Gescheiteste und Eleganteste hier bin.
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