Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Grimasse, mit der sich bereits meine Mutter zufriedengegeben hatte, und er starrte mich rüde an und nickte. »Nun gut. Glaube nicht, daß du untätig bleiben kannst und verwöhnt wirst, nur weil du einen Sohn geboren hast. Das Kind nützt uns nichts, wenn du nicht auch den nächsten Schritt tust.«
»Ich kann ihn nicht dazu bringen, mich zur Frau zu nehmen«, sagte ich leise. »Er ist immer noch mit der Königin verheiratet.«
Er schnipste mit dem Finger. »Großer Gott, Mädchen, weißt du denn gar nichts? Das war noch nie unwichtiger. Henry ist nur einen Schritt vom Krieg mit ihrem Neffen entfernt. Er ist so gut wie verbündet mit Frankreich, dem Papst und Venedig gegen den spanischen Kaiser. Bist du wirklich so unwissend?«
|217| Ich verneinte.
»Du solltest es dir zur Aufgabe machen, derlei zu erfahren«, meinte er scharf. »Anne weiß immer alles. Das neue Bündnis wird gegen Carlos von Spanien kämpfen. Und sobald sie siegen, schließt Henry sich ihnen an. Die Königin ist die Tante eines Mannes, der sich ganz Europa zum Feind gemacht hat. Sie hat keinen Einfluß mehr auf Henry.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Vor nicht allzu langer Zeit wurde sie nach der Schlacht bei Pavia als Retterin des Landes gefeiert.«
Er schnipste wieder mit dem Finger. »Alles längst vergessen. Nun zu dir. Deine Mutter sagt, du seiest nicht wohl?«
Ich zögerte. Es war mir völlig klar, daß ich mich meinem Onkel nicht anvertrauen konnte. »Nein.«
»Nun, du mußt noch vor Ende der Woche wieder im Bett des Königs liegen, Mary. Sonst bekommst du deine Kinder nie wieder zu Gesicht. Hast du mich verstanden?«
Angesichts dieses grausamen Handels rang ich nach Luft. Er wandte mir sein Habichtgesicht zu und schaute mich mit dunklen Augen an. »Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden.«
»Ihr könnt mir den Anblick meiner Kinder nicht verbieten«, flüsterte ich.
»Du wirst sehen, ich kann es.«
»Ich besitze die Gunst des Königs.«
Seine Hand knallte auf den Tisch. »Keineswegs. Du besitzest die Gunst des Königs eben nicht, und daher besitzest du auch die meine nicht. Mach, daß du wieder in sein Bett kommst, dann kannst du tun und lassen, was du willst. Du kannst ihn bitten, dir eine Kinderstube einzurichten, du kannst meinetwegen deine Kinder auf dem Schoß wiegen, wenn du auf dem englischen Thron sitzt. Du kannst mich verbannen! Doch wenn du nicht in seinem Bett liegst, bist du nichts als eine dumme, abgelegte kleine Hure, um die sich niemand schert.«
Tödliche Stille herrschte im Raum.
»Ich verstehe«, antwortete ich steif.
|218| »Gut.« Er zog sein Wams gerade. »Am Tag deiner Krönung wirst du mir noch dafür danken.«
»Ja«, erwiderte ich. Ich spürte, wie mir die Knie weich wurden. »Darf ich mich hinsetzen?«
»Nein«, verbot er mir. »Du mußt endlich lernen, standhaft zu sein.«
In jener Nacht wurde in den Gemächern der Königin getanzt. Der König hatte seine Musikanten mitgebracht, um ihr aufzuspielen. Es war allen klar, daß er zwar neben ihr saß, aber nur gekommen war, um sich am Anblick ihrer Hofdamen zu erfreuen. Anne war eine von ihnen. Sie trug ein neues dunkelblaues Kleid mit passender Haube. Sie hatte ihren üblichen Halsschmuck, die Perlenkette mit dem goldenen »B«, umgelegt, als wolle sie ihren ledigen Stand betonen.
»Tanze«, flüsterte mir George zu, den Mund ganz dicht an meinem Ohr. »Sie warten alle darauf, daß du tanzt.«
»George, ich wage es nicht. Ich blute noch, ich könnte in Ohnmacht fallen.«
»Du mußt aufstehen und tanzen«, sagte er. Er lächelte mich strahlend an. »Ich schwöre dir, Mary, du mußt jetzt tanzen, sonst bist du verloren.« Er streckte mir seine Hand entgegen.
»Halt mich fest«, bat ich ihn. »Wenn ich taumele, dann fang mich auf.«
»Auf in den Kampf. Komm. Es muß sein.«
Er führte mich in den Kreis der Tänzer. Ich sah, daß Anne bemerkt hatte, wie fest mich George am Ellbogen gepackt hatte und wie kreidebleich ich war. Einen Augenblick lang wandte sie mir den Rücken zu, und mir wurde klar, daß sie glücklich gewesen wäre, wenn sie mich hätte zu Boden sinken sehen. Doch dann fiel ihr auf, daß Onkel uns anstarrte, daß der wache Blick unserer Mutter auffordernd auf ihr ruhte. Sie räumte mir ihren Platz unter den Tanzenden ein. George führte mich die Reihen entlang auf den König zu. Ich blickte auf und lächelte Seine Majestät an.
Ich tanzte diesen Tanz und den nächsten. Schließlich kam der König selbst auf uns zu und
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