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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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verlorenen Kinder über ihrem Rosenkranz herunterbetete.
    »Aber ich wußte es«, sagte Henry, hievte sich von den Kissen und wandte sich mir zu, das Gesicht nun nicht mehr |226| traurig, sondern zornesrot, »ich wußte, daß ich potent und fruchtbar war. Bessie Blunt hatte meinen Jungen zur Welt gebracht, während sich die Königin mit dem letzten toten Kind quälte. Bessie Blunt schenkte mir einen Sohn, die Königin nur kleine Leichname. Warum? Warum?«
    »Woher sollte ich das wissen, Sir? Es ist Gottes Wille«, sagte ich leise.
    »Ja«, bestätigte er mir voller Befriedigung. »Genau. Ihr habt recht, Mary. Das ist es. So muß es sein.«
    »Gott kann aber doch nicht wollen, daß Euch so etwas widerfährt«, sagte ich und wählte meine Worte sorgfältig, betrachtete dabei sein Profil in der Dunkelheit, sehnte mich nach Annes Rat. »Von allen Prinzen der Christenheit müßt Ihr ihm doch der liebste sein.«
    Er blickte mich an, und seine blauen Augen hatten in der Dunkelheit alle Farbe verloren. »Was könnte also nicht stimmen?« fragte er mich.
    Ich merkte, daß ich ihn mit offenem Mund anstarrte wie eine Schwachsinnige, während ich krampfhaft versuchte, mir zu überlegen, welche Antwort er von mir erwartete.
    »Mit der Königin?«
    Er nickte. »Unsere Eheschließung stand unter einem Fluch«, sagte er schlicht. »So muß es gewesen sein. Von Anfang an.«
    Ich unterdrückte den Wunsch, ihm zu widersprechen.
    »Sie war die Frau meines Bruders«, fuhr er fort. »Ich hätte sie niemals heiraten dürfen. Man hat mir davon abgeraten, aber ich war jung und starrsinnig, und ich glaubte ihr, als sie mir schwor, daß er sie nie besessen hatte.«
    Ich war drauf und dran, ihm zu beteuern, daß die Königin einer Lüge gar nicht fähig war. Aber ich dachte an uns Boleyns und an unseren Ehrgeiz und hielt den Mund.
    »Ich hätte sie niemals heiraten dürfen«, wiederholte er noch einmal, zweimal, und dann verzog sich sein Gesicht wie das eines weinerlichen kleinen Jungen. Er streckte die Arme nach mir aus, so daß ich zum Bett eilte und ihn an mich drückte. »O Gott, Mary, seht Ihr, wie hart ich bestraft werde? Wir haben |227| zwei Kinder, und eines davon ist ein Junge, und Bessie hat ihren Henry, der unehelich geboren ist, aber ich habe keinen Sohn, der mir auf den Thron folgen könnte, es sei denn, er hätte den Mut und das Geschick, ihn sich zu erkämpfen. Oder Prinzessin Mary nimmt die Krone und behält sie, und England muß als König dulden, wen immer ich für sie als Ehemann finden kann. O Gott! Seht, wie ich für die Sünde der spanischen Frau bestraft werde! Seht, wie ich betrogen wurde! Und zwar von ihr!«
    Ich spürte seine Tränen naß an meinem Hals, und ich hielt ihn fest an mich gedrückt und wiegte ihn, als wäre er mein Kind. »Ihr habt noch Zeit, Henry«, flüsterte ich. »Ihr seid noch ein junger Mann und in voller Manneskraft. Wenn die Königin Euch aus der Ehe entläßt, könnt Ihr immer noch einen Erben zeugen.«
    Er war untröstlich. Er schluchzte wie ein Kind, und ich wiegte ihn, versuchte nicht mehr, ihm irgend etwas zu beteuern, streichelte ihn nur und flüsterte: »Ist ja gut. Ist ja gut. Ist ja gut.« Schließlich war der Strom seiner Tränen versiegt, und er schlummerte in meinen Armen ein.
    Wieder schlief ich nicht, denn sein Kopf ruhte schwer in meinem Schoß, und ich hielt seine Schultern umfangen. Die ganze Nacht gab ich mir Mühe, mich möglichst wenig zu bewegen. Meine Gedanken rasten. Zum ersten Mal hatte ich diese Drohung gegen die Königin aus fremdem Munde gehört. Der König selbst hatte sie ausgesprochen, und das bedeutete eine ernstere Gefahr für die Königin als alles andere zuvor.
     
    Noch vor der Morgendämmerung regte sich Henry erneut, zog mich zu sich ins Bett. Er liebte mich schnell, ohne auch nur die Augen aufzuschlagen, schlummerte sogleich wieder ein und wachte erst auf, als der königliche Kammerdiener mit Eimern voll heißem Wasser hereinkam und ein Page das Feuer schürte. Ich zog die Bettvorhänge zu, schlüpfte in mein Kleid und in meine hochhackigen Schuhe.
    »Geht Ihr heute mit mir auf die Jagd?« fragte Henry.
    |228| Ich reckte meinen Rücken, der ganz steif war, und lächelte, als wäre ich nicht todmüde. »O ja!« antwortete ich entzückt.
    Er nickte. »Nach der Messe«, erklärte er und entließ mich.
    Im Vorzimmer wartete, getreu wie immer, George auf mich, schnupperte an einer mit duftenden Kräutern gefüllten vergoldeten Kugel. Er schaute mich durchdringend

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