Die Schwester der Nonne
seinen Körper. Er musste dieses Weibsstücks habhaft werden, sie der gerechten Strafe zuführen, ihr die Hexerei austreiben. Da halfen nur glühende Eisen und spitze Dornen, Feuer und Ketten. Sie war verstockt und uneinsichtig. Das hatte er schon bemerkt, als sie ihren Galan im Klosterkeller besuchte, und sich mit eigenen Augen davon überzeugen konnte, was mit denjenigen geschah, die sündigten.
Er hatte Angst und Entsetzen in ihren Augen gesehen. Das bereitete ihm eine große Befriedigung. Natürlich wollte er ihren unkeuschen Körper nicht wirklich besitzen, auch wenn er seinem Auge noch so schmeichelte. Sie versuchte ihn mit den Verführungskünsten einer Hexe, und die liebliche Gestalt war nur ein Mittel, um seine Seele zu verzaubern.
Tobias hatte Keuschheit gelobt, und er würde dieses Gelöbnis niemals brechen. Dazu fürchtete er sich zu sehr vor Gottes Strafe. Warum erlegte Gott ihm so eine harte Prüfung auf? Ganz sicher wollte Gott, dass er diese Hexe bekehrte, mit Feuer und Eisen. Er musste nur noch herausfinden, wo sie sich befand. Eine ganze Weile war er um Siebenpfeiffers Quartier geschlichen, um den Studenten zu beobachten, ob er sich etwa heimlich mit seiner Metze traf.
Doch der lag noch lange krank danieder und erholte sich nur schwerlich von den erlittenen Torturen. Von Katharina war weit und breit nichts zu sehen. Sie blieb wie vom Erdboden verschluckt. Und dann verschwanden auch noch ihr Vater und seine jüdische Gespielin.
Benedictus hoffte wohl, damit das Übel in der Stadt ausgerottet zu haben, denn Preller mit seinen unkonventionellen Ansichten war ihm stets ein Dorn im Auge gewesen. Wäre Preller nicht so reich, und hätte er nicht von diesem Reichtum die heilige Mutter Kirche und vornehmlich das Thomaskloster profitieren lassen, wäre ihm wohl schon viel eher der Garaus gemacht worden.
Vielleicht hatte der Teufel wirklich die ganze Brut geholt und war mit ihnen zur Hölle gefahren. Vielleicht aber gab es ein Geheimnis. Die lange, krumme Nase von Bruder Tobias witterte solche Geheimnisse vor allen anderen, vor allem vor dem etwas schwerfälligen Propst Benedictus. Genau aus diesem Grund betreute der Propst ihn mit solchen Geheimaufträgen.
Der Studiosus als Helfer schied aus, da war sich Tobias sicher. Wahrscheinlich war ihm die Liebelei mit dieser Hexe nicht so viel wert, dass er sich nochmals den Torturen des irdischen Gerichts unterziehen wollte, geschweige denn der Strafe des Himmels.
Nun wusste Tobias, dass die Zwillinge und der Sohn des Kuhtürmers miteinander befreundet waren. Oftmals hatte er die Mädchen beobachtet, wenn sie Thomas draußen am Kuhturm besuchten, und er war ihnen mit brennenden Augen gefolgt. Ob es da vielleicht eine Verbindung gab?
Leider war Thomas zu weit weg, als dass Tobias ihm folgen konnte, obwohl er sein Reisigbündel sofort abwarf. Doch er war aufmerksam geworden und hatte Witterung aufgenommen.
Thomas begab sich tief in die Aue hinein, wo das Gewirr der verschiedenen Flussläufe und Seitenarme am größten war. Was hatte der Kuhtürmersohn da draußen verloren?
Die Bäume waren kahl, das Gebüsch schützte nicht mehr so wie im Sommer vor Blicken. Tobias musste einen größeren Abstand halten, während er Thomas folgte. Zu allem Übel begann es zu regnen, und seine dunkle Kutte saugte sich voll Feuchtigkeit. Er trug noch immer die ledernen Sandalen wie im Kloster, und der Schlamm quietschte durch seine bloßen Zehen. Mit verbissenem Gesicht verkniff er sich einen unchristlichen Fluch, während er die Kutte hob und durch die Pfützen und Schlammlöcher watete. Seine dünnen weißen Beine waren mit Schlammspritzern gesprenkelt. Mit Mühe schaffte er es, Anschluss zu halten. Thomas schritt zügig aus und drehte sich nicht einmal um, sonst hätte er den Mönch wohl entdeckt. Seine Sinne waren nach vorn gerichtet, zu Katharina, und da er den Weg gut kannte, achtete er nicht darauf.
Am Rand der Wiese blieb Tobias stehen, während Thomas schnurstracks auf die Hütte der alten Griseldis zulief, kurz durch das Fenster hineinschaute und dann in der Hütte verschwand. Tobias überlegte. Was hatte Thomas mit der alten Griseldis zu tun?
Tobias kannte die Hexe, und er fürchtete sie. Da sie mitten in den Sümpfen der Flussaue fernab jeglicher menschlichen Siedlung wohnte, konnte sie nicht viel Unheil anrichten. Tobias wunderte sich, dass sie nicht schon längst verfault war in dieser modrigen Umgebung. Aber wahrscheinlich war sie unsterblich und nur mit
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