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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Geistliche beugte sich vor und schaute Maria verblüfft hinterher. Sie hatte sich nicht geirrt, es war der Propst höchstpersönlich. Benedictus jedoch hatte sie nicht erkannt. Er schnaubte, dann schob er sich aus dem Beichtstuhl heraus und eilte zur Äbtissin. Mit dem Finger zeigte er auf die ins Haus eilende Maria.
    »Wer ist sie?«
    Die Äbtissin kniff die kurzsichtigen Augen zusammen. Doch sie erkannte Maria. Ihr aufrechter, fast hoheitsvoller Gang verärgerte sie immer wieder.
    »Das ist Schwester Maria«, gab sie zurück. »Stolz, anmaßend, voller Widerspruchsgeist. Nicht einmal zwei Wochen im Verlies konnten ihr etwas anhaben. Was ist mit ihr? Habt Ihr sie eines Vergehens zu bezichtigen?«
    Benedictus schüttelte nur den Kopf.
    »Das ist kein Vergehen mehr, das ist Blasphemie. Sie wollte nicht beichten.«
    Die Äbtissin schnappte nach Luft.
    »Es wäre wirklich ein Wunder gewesen, hätte sie sich geändert. Ich glaube, wir sollten härter durchgreifen.«
    »Das überlasse ich Euch«, erwiderte Benedictus schroff.
    Als Maria in ihrem Bett lag, faltete sie die Hände.
    »Herr, ich weiß, dass die Beichte zu meiner Pflicht gehört. Ich lasse es gewiss nicht an Demut fehlen, weil ich mich der Beichte im Stuhl verweigerte. Ich bin überzeugt, dass meine inbrünstigen Gebete Dich erreichen und mein Glaube stark genug ist, dass Du meine Worte vernimmst. Eine tiefe Traurigkeit hat mich erfasst, und ich weiß, dass es undankbar ist, denn im Kloster bekomme ich alles, was für mich wichtig ist. Ich genieße Obhut und Schutz, Deinen Beistand und ein geregeltes Leben. Es erfüllt mich mit Schmerz, dass ich trotzdem nicht glücklich bin. Der Grund dafür ist, dass ich Deine Zeichen nicht deuten kann. Mein Verstand ist wohl zu gering, um zu begreifen, welche Art Prüfung Du mir schickst. Da fährt täglich ein junger Fischersmann mit seinem Boot am Fluss vorbei. Niemals habe ich ihm Aufmerksamkeit gewidmet. Und plötzlich wirft er mir eine gelbe Lilie in den Schoß. Ich weiß, dass ich solche Art Huldigung nicht annehmen darf, da ich mit Deinem Sohn, dem Herrn Jesus Christus, verheiratet bin. In aller Demut glaube ich, dass ich dieses Verhalten nicht provoziert habe, und doch hat er es getan. Die Lilie ist die Blume der heiligen Jungfrau. Bitte, Herr, gib mir ein Zeichen, was soll ich tun?«
    Sie lauschte in die Nacht hinein, aber außer regelmäßigen Atemzügen der Schlafenden konnte sie nichts vernehmen. Gott schwieg. Sie presste die Hände fester zusammen und betete zur Jungfrau Maria. Vielleicht war es ein Zeichen von ihr?
    Mitten im Gebet fiel sie in einen unruhigen Schlaf. Sie sah Wasser, eine Brücke, ein Boot. Im Boot saß jemand, eine Gestalt, die sie nicht erkennen konnte. Und sie sah viele Menschen, schwarze Gestalten, einen langen Zug, der zu dieser Brücke ging. An der Brücke stockte der Zug. Etwas fiel ins Wasser. Alle beugten sich über das Brückengeländer. Auch Maria schaute in ihrem Traum hinunter ins Wasser. Ein großer dunkler Gegenstand versank in den Fluten. Das Wasser gluckerte und sprudelte, dann glättete es sich. Aus der Tiefe tauchte etwas auf. Es waren dunkelgrüne Stängel, die sich zu Seerosenblättern entfalteten, und dann öffnete sich eine Knospe, und eine wunderschöne weiße Seerose erblühte. Klar und rein wie Schnee und seidenzart wie die Lilienblüte, die sie mit den Lippen berührt hatte. Sie wollte danach greifen und beugte sich weit vor. Zu weit. Mit einem Aufschrei fiel sie ins Wasser. Es wurde dunkel um sie. Plötzlich sah sie einen Lichtschein. Eine Schwester kam mit der Nachtleuchte herein.
    »Was ist los, Maria? Du hast geschrien.«
    Maria fuhr sich über die Stirn und spürte kalten Schweiß.
    »Es ist nichts, nur ein schlechter Traum.«
    Misstrauisch beäugte sie die Nachtschwester.
    »Ich hoffe, es ist nicht wieder das Fieber.«
    »Nein, nein, es war nur ein Albtraum. Wahrscheinlich ist mir das Essen nicht bekommen.«
    »Dann solltest du in den nächsten Tagen fasten. Völlerei tut in der Tat nicht gut. Aber du hast doch nichts anderes gegessen als wir alle.«
    Maria ließ sich wieder aufs Bett sinken. Sie wusste, dass es nicht das Essen war. War das nun die Antwort auf ihre Frage? Wasser, eine Rose, ein Boot, ein Mann, ein Zug schwarzer Gestalten wie die Nonnen, wenn sie zur Andacht gingen. Was hatte das zu bedeuten?
    Unausgeschlafen und voller Zweifel ging Maria am nächsten Tag wieder an ihre Arbeit. Obwohl sie dem Fluss fernbleiben wollte, zog er sie magisch an.

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