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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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nicht herausfordern. Die nächste Strafe wird schlimmer.«
    Maria regte sich nicht mehr. Sie war eingeschlafen.
    Gundula überlegte angestrengt, was sie tun sollte. Sie war für Maria als Aufsicht eingesetzt. Insofern war sie bei der Äbtissin ohnehin in Ungnade gefallen, denn hätte sie ihre Mission richtig erledigt, hätte Maria nicht gefehlt.
    Die Schuld, die Maria auf sich geladen hatte, fiel auch auf sie zurück. Vielleicht war Gundula zu jung für so eine Aufgabe. Das hielt ihr die Äbtissin zugute. Aber es war keine Entschuldigung dafür, was geschehen war. Sollte sie der Sünde weiter Vorschub leisten? Was, wenn die Äbtissin davon erfuhr? Dann wäre Gundula die Nächste, die auf grausame Weise bestraft werden würde.
    Sie streichelte über Marias magere Schulter, und heißes Mitleid durchflutete sie. Sünde hin oder her, Maria war ein guter Mensch, der niemandem etwas Böses wollte. Sie war keine Hexe, sie war auch keine Heilige. Maria war eine unglückliche junge Frau.
    Entschlossen erhob sich Gundula, nachdem sie vorsichtig Marias Kopf auf das Stroh gebettet hatte. Sie würde sich am Vormittag in den Garten schleichen, um Hans zu treffen. Sie würde ihm Bescheid geben, was mit Maria geschehen war. Und sie wollte ihm ins Gewissen reden, dass er Maria am besten vergessen sollte.
    Geduckt schlich Hans durch den Obstgarten. Er zuckte zusammen, als ein lautloser Schatten über seinen Kopf strich. Fledermäuse! Er hoffte nur, dass sie sich nicht in sein Haar krallen und das Blut aus ihm aussaugen würden. Die Wesen der Nacht waren ihm unheimlich. Er bekreuzigte sich und spuckte dreimal nach dem Schatten, der zwischen dem Geäst der Bäume taumelnd entschwand. Dann packte er die eiserne Stange in seiner Hand fes­ter und schlich weiter.
    Die Nonne, die ihm die Nachricht von Maria übermittelte, hatte ihm genau erklärt, wo sich das Verlies befand. Zuerst wollte sie ihm ausreden, eine Befreiungsaktion zu starten. Schließlich winkte sie ab.
    »Ich will davon nichts hören«, sagte sie. »Was ich nicht weiß, kann ich auch nicht erzählen. Überlegt es Euch, Herr Fischer. Maria ist Gott geweiht, und Ihr solltet sie vergessen.«
    Danach erzählte ihm Gundula jedoch ganz freimütig von der Klosteranlage und wo sich das Verlies befand. Nun, die Denkweise einer Frau war eben eine andere, obwohl er bei Maria das Gefühl hatte, einer Seelenverwandten begegnet zu sein.
    Was die Nonne über Maria berichtet hatte, erschreckte ihn derart, dass ihn auch keine zehn Ochsen zurückgehalten hätten. Zur Tarnung hatte er sich eine Mönchskutte besorgt. Allein damit hatte er sich schwer versündigt, denn der Mönch lag jetzt mit einer riesigen Beule und brummendem Schädel nackt wie Adam im Unterholz.
    Aber es geschah für einen guten Zweck, und so war die Sünde vielleicht nicht ganz so schlimm.
    Hans beschloss, nach erfolgreicher Befreiung in der Kirche eine Kerze zu stiften.
    Im Augenblick war es wichtiger, nicht die Orientierung zu verlieren. Während der Nacht sah alles so anders aus. Aber er brauchte den Schutz der Dunkelheit, um sein Vorhaben auszuführen. Endlich hatte er den Gebäudekomplex erreicht, in dem er die gefangene Maria vermutete. Doch er wurde schwer enttäuscht. Die Türen waren massiv und mit Eisen beschlagen, und sie waren fest verschlossen. Hans versuchte, sie mit dem Stemmholz aufzubrechen, doch es gelang ihm nicht.
    Enttäuscht umrundete er die Mauern. Es wäre wohl nicht einmal einer Maus gelungen, unbemerkt in das Gebäude einzudringen. Von der nahe gelegenen Klosterkirche schlug die Glocke zur Laudes. Hans hatte keine Zeit mehr. Er musste seinen Plan ändern.
    Im Schatten einer Mauernische wartete er, bis der Zug der schlaftrunkenen Nonnen an ihm vorbei zur Andacht geschlurft war. Maria konnte er darunter nicht entdecken, aber die Marienmägde sahen alle fast gleich aus. Außerdem würde sie wohl nicht zur Andacht zugelassen. Aber seelischen Beistand durfte sie doch wohl erhalten! Jetzt wusste Hans, was er tun musste.
    Nach der Prim und dem kleinen Frühstück aus Brot und Bier begaben sich alle Nonnen in den Kapitelsaal, wo eine Vorleserin aus dem Märtyrerbuch zitierte. Danach hatte die Äbtissin zu tun, die Arbeiten einzuteilen, Neuigkeiten zu vermelden und Strafen zu verteilen. Diese Gelegenheit nutzte Hans.
    Nur eine Wärterin bewachte das Verlies. Hans zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. »Gelobt sei Jesus Christus«, murmelte der falsche Mönch.
    »In Ewigkeit, Amen«, erwiderte die Nonne und

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