Die Schwester der Nonne
klatschten herab. Staub wirbelte auf, durchsetzt mit Heu.
Wie ein Hexenwirbel kreiselte der Sturm über die Wiese und riss das gesamte Heu mit sich, die Kappen der Bauern von den Köpfen, ebenso die Heuharken und anderes Gerät. Er riss Äste von den Bäumen und knickte die Pflanzen auf dem Boden. Adam konnte nur hilflos zusehen, wie seine Heuernte in den tiefschwarzen Wolken verschwand.
Der Wind heulte und verfing sich in den Winkeln des Hofes. Die Frauen retteten sich in den Hof hinein. Dann öffneten sich die Himmelsschleusen, und eine Sturzflut brach hernieder. Die Frauen hatten die rettende Küche erreicht. Kurz nach ihnen folgten die Männer, die innerhalb kürzester Zeit bis auf die Haut durchnässt waren. Es wurde dunkel wie zur Nacht, nur grelle Blitze zerrissen die Dunkelheit.
»Eine Kerze, zündet eine Kerze an, wir wollen beten«, rief Johanna. In der Küche herrschte ein heilloses Durcheinander. Es roch nach angebrannter Kohlsuppe. Das Feuer im Herd explodierte mit einem Knall, Asche und Glut wurden durch die Küche geschleudert.
»Die Kinder! Wo sind die Kinder?« Hertha begann zu weinen.
»Wir können jetzt nicht hinaus«, versuchte Adam sie zu beruhigen. »Sie werden sich versteckt haben. Sie sind doch klug.«
»Sie sind noch klein«, wimmerte Hertha. »Der Sturm hat sie mit sich gerissen.«
Gottfried hielt Hertha mit Gewalt fest, sonst wäre sie hinaus in das Unwetter gelaufen. Auch Maria lag in Hans’ Armen. In ihren Augen stand das blanke Entsetzen. War das die Strafe Gottes für ihr Vergehen?
Plötzlich ging das heftige Rauschen des Sturzbaches aus den Wolken in hartes Klopfen über.
»Nein, nicht auch noch Hagel«, stöhnte Adam.
Es drosch auf das Dach und gegen die Wände, auf den Hof und an die Mauer. Im Nu war der Hof von weißen Eiskugeln bedeckt, manche so groß wie Hühnereier. Wieder durchzuckte ein Blitz die Luft. Der gleichzeitige Donner ließ die Erde erbeben. Eine unsichtbare heiße Welle drückte durch die Luft und brachte einen brenzligen Geruch mit sich.
»Die Kirche«, schrie Johanna. »Der Blitz hat in die Kirche eingeschlagen!«
Alle liefen hinaus und glitten auf dem mit Eis übersäten Hof aus. Sie stürzten, fielen übereinander und rappelten sich wieder auf. Einige blieben auf dem Boden hocken und starrten durch das offene Hoftor hinüber zur Kirche. Aus dem Turm schlugen hohe Flammen. Ein Blitz hatte die Turmspitze getroffen!
Niemand konnte etwas tun. Hilflos mussten sie mit ansehen, wie das Feuer das Dachgebälk ergriff. Die Dachschindeln zerplatzten und fielen herab, die Balken färbten sich rot und schwarz, und dann brachen sie durch. Die kleine Glocke stürzte herab und zersprang am Boden.
Der Hagel hatte nachgelassen, dafür regnete es wieder heftiger. Auch der Wind ließ nach. Der Regen steigerte sich noch, und wie durch ein Wunder löschte er die Flammen im Kirchturm aus. Schlammige Fluten wälzten sich von den Feldern und bahnten sich einen Weg durch das Dorf. Sie rissen alles mit, was ihnen dabei im Weg stand.
»Lasst uns ins Haus gehen«, sagte Adam.
Mit hängenden Schultern und Armen, erschüttert über die Urgewalten der Natur, ohnmächtig über die Hilflosigkeit des Menschen schleppten sie sich in die Küche. Bis auf die Haut durchnässt, voll gespritzt mit Schlamm hinterließen sie auf dem Küchenboden schmutzige Pfützen. Einzig Friedegard saß mutterseelenallein am Tisch, vor sich die leere Tonschüssel.
»Gibt es heute keine Suppe?«, lispelte sie.
Alle starrten sie sprachlos an.
»Nein«, schrie Hertha, die als Erste die Sprache wieder fand. »Die Kinder sind verschwunden und wahrscheinlich in diesem Unwetter ums Leben gekommen, das Heu ist vom Sturm verweht, das Korn vom Hagel zerschlagen, der Blitz hat den Kirchturm getroffen, und du fragst nach Suppe?«
Adam zerrte Hertha vom Tisch weg.
»Lass Großmutter in Ruhe, sie begreift es nicht.«
»Sie begreift es doch! Immer führt sie solche Reden und prophezeit Unglück. Sie beschwört es ja erst herauf.« Friedegard streckte ihre knochigen Finger wieder nach Maria aus.
»Die ist dran schuld«, nuschelte sie, und ihre Zunge fand keinen Halt zwischen ihren zahnlosen Kiefern. »Die da ist dran schuld. Sie trägt das Kreuz!«
Hertha drehte sich zu Maria um und blitzte sie böse an.
»Vielleicht bist du wirklich diejenige, die für das Unheil verantwortlich ist. Vorgestern ist dem Nachbarn eine Kuh gestorben. Vielleicht hast du sie verhext?«
Hans stellte sich schützend vor
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