Die Schwester der Nonne
wurde von den beiden Buben von Gottfried und Hertha gehütet, die die Tiere früh und abends molken. Hertha oblag die Herstellung des Ziegenkäses. Dabei scheuchte sie die Mägde, die ihr dabei halfen, und kontrollierte peinlichst genau, ob sie saubere Hände hatten.
»Meine Haut ist schon ganz dünn geworden vom vielen Waschen«, klagte eine der Mägde und zeigte ihre rot gescheuerten Hände vor. »Das nimmt noch ein böses Ende.«
Hertha gab nichts auf solche Klagen, denn ihr Käse war berühmt und begehrt. Einmal wöchentlich fuhr sie auf den Markt nach Altenburg, um ihn zu verkaufen.
Es gab noch ein Familienmitglied, das im Augenblick still im Schatten des Hauses in einem ausgeleierten Korbstuhl ruhte. Das war die alte Friedegard, die Mutter Adams. Sie genoss ihr Gnadenbrot auf dem Altenteil und war recht genügsam. Fast blind, zahnlos und auf zwei Krücken angewiesen, konnte sie nicht mehr viel in der bäuerlichen Wirtschaft helfen.
Johanna brockte der Alten helles Haferbrot in die Milch und setzte sie in den Schatten hinaus, wo sie leise vor sich hin brabbelte. Sie sprach immer zu sich selbst, und keiner achtete weiter darauf. Aber manchmal hatte sie helle Augenblicke.
»Mit der da stimmt was nicht«, sagte sie eines Abends, als die Familie nach getaner Arbeit zum Essen am Tisch saß und die mit Speck angereicherte Kohlsuppe schlürfte. Mit ihrem knochigen Zeigefinger zeigte sie auf Maria. Alle hielten den Atem an.
»Was soll denn nicht stimmen, Mutter?«, fragte Adam.
»Die ist nicht die Frau vom Hans. Die trägt ein Kreuz mit sich herum.«
»Ach, was du so redest«, wehrte Adam unwirsch ab. »Du bildest dir dumme Sachen ein. Es geht alles seinen rechten Gang. Pass lieber auf, dass du dich nicht voll kleckerst. Wir sind mitten in der Ernte, da können die Mägde nicht waschen.«
Friedegard kicherte und schlürfte ihre Suppe weiter. Auch die anderen setzten das Essen fort. Doch in Maria blieb ein unbehagliches Gefühl zurück. Was ahnte die Alte?
Wenn Friedegard sonst wenigstens beim Wollezupfen half, so weigerte sie sich diesmal.
»Es ist nicht die rechte Zeit dafür«, lispelte sie. »Die da bringt alles durcheinander. Ist nicht die rechte Zeit. Gibt Unglück.«
»Ach, Großmutter, für Arbeit ist immer die rechte Zeit. In diesem Jahr haben wir besonders viel Wolle, da müssen wir beizeiten anfangen, sie zu säubern, damit du im Winter wieder ordentlich spinnen kannst.«
»Schicksalsfäden, Schicksalsfäden, wie verwoben, so zerstoben. Herzeleid gibt’s allezeit.«
Amelinde scherte sich nicht weiter um die wunderliche Großmutter, und Maria musste sich wohl oder übel damit abfinden.
Je höher die Sonne am Himmel stieg, umso heißer wurde es. Maria strich sich mit den fettigen Fingern über die Stirn. Die Wolle triefte vor Fett, weil die Hitze es verflüssigte.
Eine Katze schlich heran und schnupperte am Korb, dann stieg sie vorsichtig hinein und begann mit den Vorderpfoten die Wolle zu kneten.
»Sieh dir das Katzentier an«, lachte Amelinde. »Dem ist es noch nicht warm genug. Kein Wunder, die Katze ist das Lieblingstier von des Teufels Großmutter und direkt in der Hölle groß geworden.«
Tatsächlich drehte sich die Katze mehrmals im Kreis, um sich dann gemütlich in die Wolle zu kringeln. Sie zuckte auch nicht, als Amelinde die Wollflocken auf sie rieseln ließ.
Eine kleine Wolke segelte einsam über den Himmel. Die beiden jungen Frauen beachteten sie nicht. Aus der Küche hörten sie Johanna lautstark schimpfen. Der Kamin zog nicht, und der ganze Qualm breitete sich in der Küche aus. Hertha und Gudrun kamen hustend herausgerannt. Die beiden Küchenmägde mussten ausharren und wedelten so lange mit dem Brotschieber, bis das Holz endlich brannte.
»Das ist die Strafe«, brabbelte Friedegard und schob sich Schritt für Schritt auf den Krücken vorwärts.
»Du sollst nicht immer unken, Großmutter«, rief Amelinde.
Hertha schüttelte nur den Kopf.
»Sie hat zu lange in der Sonne gesessen. Das drückt jedem auf den Kopf.«
Sie blinzelte zum Himmel. Die Sonne hatte sich mit einem silbrigen Schleier verhangen.
Vom Feld kamen Johann und Gottfried, die beiden Söhne des Bauern. Sie hielten die Heuharken und Hacken geschultert, mit denen sie den Tag über gearbeitet hatten. Gottfried setzte sich neben Amelinde, zog ein Messer aus seinem Gürtel und schnitzte einen Harkenzahn. Es war seltsam still. Auch die Amsel im Baum sang nicht mehr. Gottfried wischte sich über die
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