Die Schwester der Nonne
Qual. Er hasste dieses Weib dafür, wie schamlos sie sich ihrem Galan hingab. All die Folter und der Schmerz hatten den Studenten nicht davon abbringen können, sich wieder mit Katharina zu vergnügen. Kein Zweifel, dieses Weib musste ebenfalls eine Hexe sein, wenn ein Mann sich so kopflos in ein Liebesabenteuer mit ihr stürzte. Mochte dieser Student seine Seele verlieren, was scherte es Tobias.
Neben seinem Hass auf Katharina verspürte er aber ein grenzenloses Verlangen nach ihrem schönen, hellen Leib. Ihre Lebendigkeit, Jugend und Anmut erschreckten und bannten ihn gleichzeitig. Niemand sollte Katharina bekommen, weder der junge Student noch der greise Kaufmann. Tobias wollte Katharina für sich allein haben. Er wollte sie besitzen, in ein Verlies sperren, für das nur er den Schlüssel besaß. Er würde täglich zu ihr gehen, sich an ihrem Anblick ergötzen. Er hatte Keuschheit geschworen, aber niemand konnte ihm verwehren, dass er sich an ihrem nackten Anblick weidete. Er würde sie dafür strafen, dass sie eine Frau war, dass sie schön war, dass sie ihm diese Qualen bereitete. Es würde ihm Genugtuung bereiten, wenn er sie strafte, wenn sie schrie und flehte, wenn sie ebensolche Qualen litt, wie sie ihm bereitete.
»Du gehörst mir, du gehörst mir«, keuchte er, während er die jungen Leute weiter beobachtete. Während das Liebespaar eng umschlungen im Stroh lag, krallten sich Tobias’ klauenartige Finger in die stacheligen Kornähren. Er biss hinein, um keinen verräterischen Laut von sich zu geben und spukte dann die Spelzen wieder aus. Eine Granne hatte sich schmerzhaft in seinen Rachen gebohrt.
Katharina und Klaus bemerkten von all dem nichts. Sie waren zu sehr mit sich beschäftigt.
»Ich soll dich von der Amme ganz herzlich grüßen«, sagte Klaus, als er wieder zu Atem gekommen war. Katharinas Augen leuchteten auf.
»Oh, mein Gott, die gute alte Amme. Ich hoffe, du konntest sie etwas beruhigen, dass es mir gut geht und sie sich keine Sorgen zu machen braucht. Sag, wie hat sie die Nachricht aufgenommen?«
»Sie hat vor Freude geweint. Ich musste ihr aber sagen, dass sie dieses Wissen in ihrem Herzen einschließen muss. Eckhardt lungert noch immer in der Stadt herum. Er hat sich in einem Gasthaus eingemietet und beobachtet täglich das Haus deines Vaters. Offensichtlich hat er die Hoffnung noch nicht aufgegeben.«
»Hast du etwas über meinen Vater in Erfahrung bringen können?«
Klaus schüttelte betrübt den Kopf.
»Er ist einfach verschwunden. Keiner weiß wohin.«
Katharina wurde traurig.
»Ich hätte ihn so gern wiedergesehen und ihn um Verzeihung gebeten.«
»Und dann? Er hätte auf der Heirat mit Eckhardt bestanden.«
»Das stimmt. Was sollen wir nur tun?«
Er küsste sie.
»Lass dein hübsches Köpfchen nicht hängen. Im Augenblick bist du sicher. Wenn ich mein Studium beendet habe, bemühe ich mich um eine Anstellung als Richter. Dann werden wir heiraten, ob mit oder ohne Einwilligung deines Vaters.«
»Mir wäre es lieber, wenn der Vater mit an der Festtafel sitzt.«
Lachend wickelte er eine ihrer honiggelben Locken um seinen Finger. »Du wirst die schönste Hochzeit des Jahres bekommen und die schönste Braut sein.«
»Ach, wenn es doch erst so weit wäre«, seufzte Katharina und zog ihn wieder zu sich heran. »Ich liebe dich so sehr.«
»Ich liebe dich auch, blondes Käthchen. Weißt du, wie schwer mir jedes Mal der Abschied von dir fällt? Zum Glück weiß ich dich in guten Händen bei Beate.«
»Und du? Bleibst du mir auch treu bei all den Verlockungen in der Stadt? Gehst du nicht abends in die Schänken und in die Badehäuser und vertreibst dir die Zeit mit den jungen Huren?«
»Mein Ehrenwort, Kathrinchen. Mir steht nicht der Sinn nach fremden Weibern. Die ganze Woche lebe ich nur für den Augenblick, in dem ich dich wiedersehe.«
»Dann bin ich beruhigt. Weißt du, wir haben so viel nachzuholen. Lass uns später weiterplaudern.«
»Was hast du vor?«
Katharina kicherte und rutschte tiefer in das Stroh hinein.
»Du kleiner Nimmersatt«, neckte Klaus sie.
»Wie die Tiere«, stöhnte Tobias, der sich nicht aus seinem Versteck hervorwagen durfte. »Das ist unnatürlich. So oft machen es nur die Spatzen. Herr, warum unterziehst du mich dieser furchtbaren Prüfung?«, klagte er. »Was habe ich getan, dass du mich derart strafst?«
Gottes Wege waren unerforschlich und dem menschlichen Geist verschlossen, zumindest Tobias’ Geist. Jedenfalls frönten Klaus und
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