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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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einkehrte.«
    »Kein Wunder, dass Müller nicht in den Himmel kommen«, war Katharinas Kommentar dazu. »Der Müller braucht nicht zu stehlen, man bringt das Diebesgut zu ihm.«
    Was Klaus ihr wohlweislich verschwieg, war die weitaus beunruhigendere Nachricht, dass Maria aus dem Kloster geflohen war. Überall in der Stadt liefen Häscher des Propstes herum und zeigten Bilder von Maria. Der Propst behauptete, Maria habe sich der Hexerei und der schwarzen Künste schuldig gemacht.
    »Klaus, du musst mir eine große Bitte erfüllen.« Katharina schaute ihn mit großen Augen an, und Klaus wusste sofort, dass er nicht widerstehen konnte, egal, worum Katharina ihn bat. »Geh zur Amme und sag ihr, dass es mir gut geht. Sie soll sich nicht sorgen. Immerhin ist sie alt, und ich befürchte, dass sie vor Kummer und Gram sterben könnte.«
    Klaus wiegte bedenklich den Kopf.
    »Das könnte gefährlich werden. Wenn die Amme weiß, dass ich weiß, wo du dich befindest, dann könnten es auch andere erfahren.«
    »Die Amme ist verschwiegen, und du solltest es ihr sagen, ohne dass noch jemand zuhört.«
    »Gut, ich werde es versuchen.«
    »Versprich es mir.«
    »Ich verspreche es dir.«
    Damit war Katharina zufrieden, und sie konnten zum weitaus angenehmeren Teil ihres Treffens übergehen.
    Auf dem Marktplatz zu Leipzig herrschte emsiges Gedränge. Zwei Brüder des Thomasklosters hatten einen kleinen Stand aufgebaut. Auf dem Tischchen stapelten sich Ablassbriefe für die Sünden der verschiedensten Art, daneben stand eine Geldtruhe, in der die Mönche die Münzen verschwinden ließen, die die Leute ihnen bereitwillig gaben.
    Es gab wohl viele Sünden zu büßen, denn die Menschen drängten sich und rissen ihnen die Ablassbriefe aus der Hand. Immer wieder hielt ein Mönch flammende Reden, während der zweite den entsetzten Zuschauern Bilder von den Qualen der Hölle und des Fegefeuers vor die Nase hielt.
    Der zweite Mönch war niemand anderer als Bruder Tobias. Das Reden überließ er lieber seinem Begleiter, aber er weidete sich an den verängstigten Gesichtern der Umstehenden. Immer neue Schreckensbilder entrollte er und stakste damit wie ein unheilbringender Totenvogel hin und her.
    Zum Schluss entrollte er ein ganz anderes Bild. Es zeigte eine junge Frau in der Tracht einer Nonne. An ihrem Saum klammerte ein kleiner Teufel mit widerlich grinsender Fratze. Das Gesicht der jungen Frau jedoch war den meisten Stadtbewohnern bekannt. Es war das Gesicht von Maria Preller.
    »Auf diesem Bild seht ihr ein liebliches Antlitz, hinter dem sich das Böse verbirgt. Ihr wisst, oft erscheint eine Hexe als altes, verwittertes Weib, dessen Kinn und Knie sich treffen, das krumm wie ein Bogen umherläuft und sich auf einen Stock stützt. Hohläugig, zahnlos, mit zerfurchtem Gesicht, mit zitternden Gliedern, geht sie murmelnd durch die Straßen. Das muss aber nicht immer so sein.« Der Mönch hob die Hände zum Himmel, als wolle er sich Gottes Unterstützung sichern.
    »Zumeist sind es zwar alte Vetteln und Hexen«, fuhr der Mönch fort, »Leute von niedrigem Stand, deren Geschäft und Brauch es ist, Kinder zu ermorden oder Tote auszugraben. Es gibt aber höherrangige Vertreter des Bösen. An zweiter Stelle in der Hierarchie kommen die Zauberer und Zauberinnen, Leute von mittlerem Stand. Deren Amt ist es, zu hexen und Zauberformeln zu verbreiten. An oberster Stelle stehen die Magier, die Männer von Lebensart und Leute höheren Ranges sind; ihre Aufgabe ist es, Gott zu lästern und die Saat des Bösen in den höchsten Kreisen aufgehen zu lassen.«
    Die Umstehenden rückten näher heran. Das waren ganz andere Töne, als die Ablassprediger sonst verbreiteten. Es war etwas im Gange, was die Leute aufmerken ließ.
    »Seid immer gewahr: Hexen können sich verwandeln, und aus den bösen alten Weibern werden schöne junge Mädchen. Mit ihrer Schönheit verblenden sie ihre Umgebung, zeigen sich leutselig und fromm. Im Inneren aber sind sie verfault und brüten das Böse aus. Besonders verrucht ist es, wenn es so einer Hexe gelingt, sich unter die frommen Dienerinnen Gottes zu mischen und dort ihr Unwesen zu treiben. Als die Hexe, die ihr auf diesem Bild seht, bei den Marienschwestern enttarnt wurde, suchte sie ihr Heil in der Flucht. Jeder fromme und brave Bürger dieser Stadt ist aufgefordert, die vormalige Nonne Maria zu jagen und sie der Gerichtsbarkeit unserer heiligen Mutter Kirche zuzuführen.«
    Unter den Zuhörern befand sich Eckhardt, der

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