Die Schwester der Nonne
beide in Wald, Feld und Gebüsch, um erst wiederzukommen, wenn Regenwolken ihre nasse Fracht ausschütteten. Aber der Sommer war warm und trocken und besonders für die beiden Verliebten voller Wonnen.
»Du musst mir jede Kleinigkeit erzählen«, verlangte Beate von Katharina. »Sonst werde ich es deinem Bräutigam melden, wo du dich befindest.«
»Untersteh dich, du falsche Schlange«, drohte Katharina. »Dann verrate ich deinem Vater, dass du den Verwalter gezwungen hast, statt eines kräftigen Ackergauls einen Zelter für dich zu kaufen.«
»Wie willst du es ihm denn verraten? Er ist nicht hier, und er wird wohl in nächster Zeit auch nicht kommen.«
»Ich schreibe ihm einen Brief, den ich mit einem Boten schicke. Ich weiß zufällig, dass er in Thüringen gegen die aufsässigen Bauern kämpft.«
»Mein Vater kann nicht lesen«, triumphierte Beate.
»In jedem Heer gibt es einen Chronisten, der lesen und schreiben kann, der wird ihm meinen Brief vorlesen.«
Beate gab es auf, und Katharina erzählte bereitwillig von ihren Liebesabenteuern. Beate bekam glänzende Augen und schreckliche Lust, es einmal selbst zu probieren. Und als Katharina noch von dem Buch schwärmte, das auf dem Dachboden des Handelshauses lag und sie zum ersten Liebesabenteuer mit Klaus verführt hatte, war es endgültig mit ihrer Beherrschung vorbei.
»Ich will auch einen Liebhaber«, beharrte sie und stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf. »Natürlich keinen von den Knechten, sondern einen, der im Stand zu mir passt. Eigentlich könntest du mir deinen Klaus ausleihen.«
»Untersteh dich«, protestierte Katharina. »Klaus gehört mir allein. Schließlich wollen wir heiraten.«
»Pah, daraus wird doch sowieso nichts. Da müsste dein Vater wieder auftauchen und sein Wort gegenüber Eckhardt rückgängig machen. Glaub mir, der ist vor Eckhardt geflüchtet und treibt sich, wer weiß wo, herum. Ich denke, der kommt nie wieder.«
»Was redest du da, du dumme Schnattergans. Natürlich kommt mein Vater wieder. Ein Kaufmann ist jahrelang auf Handelsreise, schließlich sind die interessanten Länder sehr weit weg Er wollte immer einmal nach dem Land China reisen, wo die Seide hergestellt wird und das weiße Geschirr mit den blauen Mustern und sie diesen nackten Gott mit dem dicken Bauch haben und …«
Sie stockte, weil ihr der Atem ausging. Nein, weil ein dicker Kloß ihren Hals zudrückte. Irgendwie hatte Beate Recht. Ihr Vater war verschwunden, und das schon seit längerer Zeit. Ganz sicher hing es mit ihrer Flucht zusammen. Sie war verantwortlich dafür, dass ihr Vater seine Ehre verloren hatte. Aber zu Eckhardt zurückzukehren erschien ihr unmöglich. Dabei sehnte sie sich nach Hause, nach ihrer Kammer und ihrem Bett, nach Maria, der Amme, dem Vater, sogar nach Philomena.
Bei dem Gedanken an Maria kamen ihr die Tränen. Sie konnte Maria nicht einmal im Kloster besuchen, wo sie sich durch das winzige Gitter am Besuchertor wenigstens einige liebe Worte hätten sagen können. Aber wenn sie sich in der Stadt sehen ließe, wäre sie verloren.
Sie hatte Klaus gebeten, ihr von allen Neuigkeiten aus der Stadt zu berichten. Gespannt wartete sie jedes Mal, wenn er sie besuchen kam. Er erzählte, dass der Prokurist derzeit das Handelshaus Preller führe und alle Geschäfte abwickele, dass die Amme immer noch im Hause lebe. (Wo sollte sie auch hin?) Dass der verschmähte Eckhardt Rache geschworen und eine Belohnung auf Katharinas Ergreifung ausgesetzt habe. Und dass auf dem Marktplatz ein Müller am Pranger stehe, der seine Kunden schmählich betrogen habe und zu Recht verurteilt worden sei. Außerdem habe er das Wasser im Mühlgraben zu hoch angestaut, dass die Mühlen im Oberlauf davon einen gehörigen Schaden davongetragen hätten.
»Stell dir vor, der Müller Bartel hat gegen den Schmied geklagt, der gleichzeitig eine Schänke besitzt. Jener verbreitete in der Gemeinde, der Müller wäre oftmals zwei, drei Tage hintereinander zu Biere gewesen und hätte seine Mühle nicht richtig geführt. Sein Weib, seine Tochter und sein ganzes Gesinde söffen daheim Branntwein. Wo sie den herbekämen, könne man sich ja denken. Trotzdem haben Zeugen für den Bartel gesprochen. Die Untersuchung hat dann aber ergeben, dass der Bartel bei der Mehlmetze, seinem Lohn, betrogen habe. So wurde der Bartel verurteilt. Den Schmied haben sie ebenfalls bestraft, weil er den Müller aus purer Böswilligkeit angezeigt hatte, weil der Bartel nicht bei ihm in der Schänke
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