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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Himbeeren und Augen, so blau und klar wie der Sommerhimmel. Ihre Haut war hell und rein und so zart wie die von Kindern. Dazu trugen sie wunderschöne und sicher sehr teure Kleider aus Stoffen, die ihr Vater für sie in fernen Ländern kaufte.
    In ihrem Wesen unterschieden sie sich schon, und in manchem Blick, manchem Lächeln oder wenn sie ernst schauten. Maria war die Ältere der beiden und eher still und ernst. Oftmals war sie besonnener als ihre Schwester Katharina und vernünf­tiger.
    Katharina dagegen blies nie lange Trübsal. Sie liebte das Leben von seiner sonnigsten Seite, war fröhlich, lachte gern und war für Kurzweil jeglicher Art aufgeschlossen. Das erweckte den Anschein, sie sei oberflächlich und flatterhaft, dabei glich sie nur das etwas ernstere Wesen von Maria aus.
    Thomas liebte sie beide für ihre ganz besondere Art. Natürlich hätte er sich lieber die Zunge abgebissen, als dass er ihnen das eingestanden hätte, und so benahm er sich den beiden Mädchen gegenüber stets überlegen und kehrte wegen des zweijährigen Altersunterschieds den erwachsenen Mann heraus. Das tat jedoch ihrer Freundschaft keinen Abbruch.
    Thomas erwartete sie an der Angerbrücke, wo die Straße den kleinen Fluss Luppe querte.
    »Ich habe euch vom Turm aus entdeckt«, rief er stolz.
    »Hast du Augen wie ein Adler?«, wollte Katharina wissen. »Woher weißt du bei all den Leuten, dass wir es sind?«
    »Ich weiß es eben«, erwiderte Thomas und warf Katharina einen übermütigen Blick zu. »Ich erkenne euch unter all den anderen Menschen, weil ihr doppelt seid.«
    Maria blickte zurück auf die Silhouette der Stadt. Da ragten die Türme von St. Nicolai, St. Thomas, die Pleißenburg und das Rannische Tor, durch das sie die Stadt verlassen hatten, über die Dächer der stattlichen Häuser empor.
    Die Stadt platzte schier aus dem fesselnden Ring der Stadtmauern. Während sich innerhalb der vier Tore die Handwerkerzünfte in den verschiedenen Gassen angesiedelt hatten, bildeten sich davor bereits Vorstädte, in denen unter anderem Leineweber, Seiler und Schmiede ihr Handwerk betrieben.
    Entlang der Grabensysteme von Elster und Pleiße fanden sich die Walkereien der Tuchmacher, Gerber, Färber und verschiedene Mühlen. Die Bleichen, Holzplätze, Ziegelscheunen, Kuttel- und Schlachthäuser waren ebenfalls an den Wasserläufen angesiedelt.
    Da draußen vor der Mauer kostete ein kleineres Haus nur zwanzig oder fünfundzwanzig Gulden, was auch die ärmeren Handwerker aufbringen konnten. Die Häuser in der Stadt konnten sich nur reiche Bürger oder Handwerker leisten.
    »Wir haben dir Kuchen mitgebracht«, sagte Katharina und reichte Thomas ihr Bündel. Der errötete vor Freude. Trotz des Bartwuchses bekam er immer noch rote Wangen, wenn er die Zwillinge traf. Katharina amüsierte sich darüber.
    »Kommt mit in die Kuhburg, der Vater möchte euch begrüßen. Dann könnt ihr auch einen Schluck gewürzten Wein zur Stärkung nehmen.«
    »Wir sind nicht müde«, wehrte Maria ab. »Wir haben unterwegs bereits eine Rast eingelegt.«
    Katharina stieß ihre Schwester mit dem Ellenbogen in die ­Rippen.
    »Aber wir nehmen gern einen Schluck Wein«, lächelte sie Thomas freundlich zu. Die Röte auf seinen Wangen vertiefte sich, und Glanz trat in seine Augen. Er eilte den Mädchen voraus zu dem Komplex aus mehreren Gebäuden, der von einer Palisadenwand umfriedet wurde und die Kuhburg darstellte. An ihrer westlichen Ecke erhob sich der hölzerne Turm, von dem Johannes Dümpel im Auftrag der Stadt die Herden beaufsichtigte.
    Den ganzen Sommer verbrachte der Wächter mit seinen Söhnen, dessen Ältester Thomas war, hier draußen. Seine Frau blieb mit den kleineren Kindern im Stadthaus. Fast jedes Jahr brachte sie ein weiteres Kind zur Welt, was Hieronymus zum Spott veran­lass­te, dass der Winter in den Stadtmauern ihm wohl besonders gut bekomme. Auch im Winter bezog Johannes seinen Lohn aus der Stadtkasse, und Hieronymus war der Meinung, dass diese Kinder eigentlich der Stadt gehörten, wenn der Rat das geregelte Eheleben von Johannes und seinem Weib auf diese Weise finanziere.
    Johannes nahm diesen Spott mit Gelassenheit, wusste er doch, wie er Hieronymus zu nehmen hatte. Aus Anstand gab er die derben Scherze nicht zurück, denn seit Hieronymus’ Weib Elisabeth kurz nach der Geburt der Zwillinge verstorben war, konnte der Kaufmann nicht mehr auf Nachwuchs hoffen. Er hatte sich nie wieder eine Frau genommen, wenngleich Philomena, die bei ihm im

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