Die Schwester der Nonne
flehenden Blick von Elisabeth, die bleich in den Kissen lag.
»Meinetwegen«, brummte er und verließ die Kammer.
Benedictus rückte noch ein Stück näher an Elisabeth heran.
»Erleichtert Euer Gewissen, meine Tochter, und beichtet alles, was es zu beichten gibt. Wie habt Ihr es getan?«
»Was heißt wie?«, wollte Elisabeth wissen.
»Von oben, von unten, mit dem Mund, wie die Hunde?«
»Die Hunde?« Elisabeths Augen wanderten zum hölzernen Baldachin ihres Bettes. »Ich kann mich nicht an Hunde erinnern. Aber ich weiß, als das erste Kind geboren wurde, dass ich den Namen der heiligen Jungfrau ausgerufen habe. Die Schmerzensreiche hat mir beigestanden. Das erstgeborene Kind soll Maria heißen.«
Die beiden Nonnen, die die ganze Zeit mit gesenkten Köpfen neben der Tür stehen geblieben waren, traten nun näher.
»Das ist ein weiser Entschluss«, wagte die eine zu sagen und schenkte Elisabeth ein mildes Lächeln.
Elisabeth streckte ihre kraftlose, zitternde Hand aus.
»Oh, ihr Schwestern des Himmels, so gebt mir die Kraft, meine beiden unschuldigen Töchter Gottes Gnade anzuvertrauen. Für die zweite wird auch noch ein Name benötigt, der gottgefällig sein soll. Ich habe nicht mit einem zweiten Kind gerechnet und nur den Namen für einen Sohn ausgewählt.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und die beiden Mönche kamen schwitzend und außer Atem mit dem geweihten Wasser. Hinter ihnen drängten Hieronymus, die Amme, Tante Brigitte und das gesamte Gesinde des Hauses in das Zimmer.
Zum zweiten Mal sah Hieronymus die Amme, die sich mit ihrer Körpermasse Platz schaffte. Wieder blieb ihm die Luft weg ob ihres gewaltigen Busens. Sie sah aus wie eine Missgeburt, und ihr kloßförmiges Gesicht war eine kleinere Ausgabe ihres fassrunden Körpers. Trotz ihrer kurzen dicken Arme trug sie beide Kinder gleichzeitig herein und stellte sich ans Fußende von Elisabeths Bett.
Benedictus trat hinzu, und auch er betrachtete die Amme mit einem gewissen Misstrauen. Er überlegte, ob sie eine Zwergin, eine Missgeburt oder das skurrile Mitbringsel eines Kaufmanns aus dem wunderlichen Orient sei.
Tante Brigitte drängte sich vor und wollte der Amme eines der Kinder abnehmen, was diese mit einem wütenden Zischen quittierte. Benedictus bekreuzigte sich vorsichtshalber.
»Können wir anfangen?«, fragte er leicht entnervt.
Die Umstehenden schubsten und drängelten, und wollten alle einen Blick auf die beiden Winzlinge werfen, die fast völlig in den weißen Wickeltüchern verschwanden.
»Worin sollen die beiden denn getauft werden?«, fragte die Amme verwundert. »Es gibt kein Taufbecken.«
»Was weiß ich.« Benedictus drehte sich im Kreis, und die beiden Mönche drehten sich mit ihm.
»Wie wär’s damit?« Einer der Mönche zog unter dem Bett eine Bettpfanne hervor.
Tante Brigitte stieß pfeifend die Luft aus.
»Das ist Blasphemie.«
Hieronymus warf einen Blick zu Elisabeth. Diese schien schon gar nichts mehr zu begreifen. Ihre Seele befand sich bereits auf der Wanderschaft.
»Beeilt euch doch«, flehte er.
Benedictus zuckte mit den Schultern. Der Mönch spülte die Bettpfanne mit dem Weihwasser aus, so war das Gefäß geweiht, und kippte dann den Rest des Wassers hinein.
Hieronymus nahm der Amme eines der Bündel ab und befreite das Köpfchen vom Leinentuch. Dann hielt er es Benedictus entgegen.
»Hiermit taufe ich dich auf den Namen Maria.«
Der Propst tröpfelte das geweihte Wasser über den Kopf des Kindes.
»Das nächste.«
Hieronymus gab der Amme das getaufte Kind zurück und nahm das andere Bündel.
»Hiermit taufe ich dich auf den Namen …«, Benedictus stockte. »Wie soll das Kind heißen?«
Er schaute Hieronymus fragend an.
Hieronymus blickte zu Elisabeth. Sie lag bleich und still da, die Hände verschränkt.
»Sie ist tot«, schrie er auf. Da öffnete sie die Augen. Ihre Lippen bewegten sich, aber ihre Stimme war nicht zu verstehen. Tante Brigitte beugte sich zu ihr herab und lauschte.
»Ka … Kat …«
»Brigitte soll es heißen«, sagte Brigitte rasch.
Elisabeth hob die Hand.
»Seid still«, rief Hieronymus. »Ihr letzter Wille soll geschehen und sie ihrem Kind auch den Namen geben.«
»Katharina«, hauchte Elisabeth mit letzter Kraft.
»… taufe ich dich auf den Namen Katharina«, beeilte sich Benedictus und drückte das Bündel in Hieronymus’ Arme. »Die Frau braucht die Letzte Ölung.«
Er schob die Umstehenden beiseite und winkte die beiden Mönche heran. Sie falteten
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