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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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wollte sich nicht damit begnügen, sie nur sonntags bei der Messe zu sehen, von fern und in züchtig geschlossenen Kleidern. Er wollte ihr nahe sein, sie anschauen, sie berühren, ihren Duft spüren. Er wollte mit ihr reden, lachen, ihr in die Augen schauen.
    Wie immer war Hieronymus Preller beschäftigt. Er diskutierte heftig mit seinem Kontoristen und Buchhalter, während Knechte draußen einen Wagen beluden.
    »Hättet Ihr wohl die Güte, verehrter Kaufmann Preller, mir einen kurzen Moment Eurer kostbaren Zeit zu schenken, damit ich Euch einen Wunsch vortragen kann?«
    »Seid gegrüßt, Magister Siebenpfeiffer. Ich freue mich immer, Euch zu sehen und diesen wackeren jungen Mann. Was immer Ihr begehrt, der Wunsch sei Euch bewilligt.«
    »Aber Ihr wisst doch noch gar nicht, was es ist«, wunderte sich Siebenpfeiffer.
    »Was es auch sei, ich weiß, dass Ihr ein bescheidener Mensch seid.«
    »Eigentlich ist es nicht mein Wunsch, sondern der dieses jungen Mannes, des Scholaren Claudius Agricola. Er ist einer meiner besten und fähigsten Studenten und auch schon in der Lage, die disputatio zu leiten. Er verspürt den innigsten Wunsch, sein Wissen weiterzuvermitteln und eine leichte Lehrtätigkeit neben seinem Studium aufzunehmen. Nun wohnte er meinen Lektionen für Eure beiden Töchter bei und bat mich darum, sie unterrichten zu dürfen. Natürlich nur unter meiner bewährten Aufsicht und unter der Maßgabe Eures Einverständnisses …«
    Hieronymus winkte ungeduldig ab. Für die umständliche, geschwollene Ausdrucksweise dieser Gelehrten war er wenig empfänglich.
    »Soll er, dieser junge Mann. Ich vertraue Euch da vollkommen. Natürlich bekommt Ihr weiter Eure Mahlzeit für Eure Mühe und der junge Herr Studiosus auch.« Er unterbrach den gemurmelten Dank des Magisters. »Kommt doch herein und lasst Euren Scholaren mit seiner Arbeit beginnen. Er weiß wohl, wo es langgeht.«
    Hieronymus packte Siebenpfeiffer an seinem Umhang und zog ihn in sein Kontor. Dort verzog sich sein Gesicht zu hundert Kummerfalten.
    »Erinnert Ihr Euch noch daran, was Ihr mir vor vielen Jahren geweissagt habt? Dass es eine Trennung gibt? Ihr habt Recht gehabt. Unser Land ist geteilt, die Brüder haben sich entzweit. Und wer muss seit vier Jahren darunter leiden? Die Kaufleute! Wieder eine Grenze mehr, die es zu überwinden gilt und die den freien Handel hindert. Was denken sich diese Herren eigentlich? Warum konnte es nicht so bleiben, wie es war? Ihr wisst doch immer alles, Siebenpfeiffer. Sagt mir, ob es wieder besser wird, ob unser Land wieder eins wird.«
    Siebenpfeiffers Miene wurde abweisend. Das Gejammer der Kaufleute war ihm zuwider.
    »Mehr als einmal habe ich Euch zu verstehen gegeben, dass ich kein Hellseher bin. Mich plagen zum Glück keine Visionen, und ich beschäftige mich nicht mit der Zukunft, solange es sich nicht um philosophische Betrachtungsweisen handelt.«
    »Aber Ihr habt doch vorhergesagt, dass es eine Trennung geben wird. Ihr habt es gesehen, Ihr habt es gewusst.«
    »Das ist etwas ganz anderes«, wiegelte der Magister ab. »Politische Abläufe folgen bestimmten Gesetzen. Auf dem Höhepunkt der Macht werden die Menschen unvernünftig und tun genau das, was ihnen schadet. Das hat die Geschichte immer wieder bewiesen. Leider ist die menschliche Natur zu wenig weitsichtig, um aus alten Fehlern zu lernen. Jeder Kurfürst wollte plötzlich sein eigenes Land. Vergesst nicht, Preller, dass beide letztlich mit der Teilung einverstanden waren, und dies im gegenseitigen Einvernehmen geschah. Kurfürst Ernst war sogar so großherzig, seinen jüngeren Bruder wählen zu lassen. Albrecht wählte das meißnisch-osterländische Teil, während Ernst das thüringisch-fränkische übernahm. Ihr solltet Gott danken, dass diese Teilung friedlich vonstatten gegangen ist, sonst wäre es aus gewesen mit Euren Pfründen in Franken.«
    »Franken, Franken«, äffte Hieronymus. »Spanien ist mein Ziel. Und jede Grenze, die dazwischen liegt, ist ein Hindernis zu viel.«
    Siebenpfeiffer lachte.
    »Ich kann Eure Sorgen nicht nachvollziehen, Preller. Ich sehe Euch satt und wohlhabend und immer noch Handel treibend. So schlimm kann es also nicht sein. Zumindest geht es den Kaufleuten besser als den Gelehrten.«
    Hieronymus hatte sich auf einem brokatbezogenen Hocker niedergelassen, der eindeutig orientalischer Herkunft war. Er schien der Verzweiflung nahe.
    »Ihr könnt mir wirklich nicht sagen, ob sich Sachsen je wieder vereint? Oder ob die

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