Die Schwestern des Lichts - 3
nun zerrissen. Schon jetzt sind einige seiner Mörder freigelassen worden.«
»Die Screelings«, sagte Richard leise.
Shota nickte. »Ja. Indem du die Magie der Ordnung freigesetzt hast, hast du zugelassen, daß ihre Zauberkraft irgendwie den Schleier zur Unterwelt eingerissen hat. Reißt er weit genug ein, wird der Hüter befreit sein. Du kannst dir nicht einmal vorstellen, welche Folgen das hätte.« Shota ergriff den Strafer, der um seinen Hals hing. »Was man dir hiermit angetan hat, ist eine Liebkosung im Vergleich mit dem, was er tun wird. Was er allen antun wird. Es wäre besser gewesen, Darken Rahl gewinnen zu lassen, als dies hier zuzulassen. Du hast die Menschen zu einem Schicksal verdammt, das jedes Grauen übersteigt.«
Sie packte den Strafer mit der Faust. »Ich sollte dich dafür töten, was du angerichtet hast. Ich sollte dich unsäglich leiden lassen. Hast du eine Vorstellung, wie gern der Hüter seinen Blick auf jemanden richten würde, der die Gabe besitzt? Hast du eine Vorstellung, wie sehr er sich nach jemandem mit der Gabe sehnt? Oder nach einer Hexe?«
Kahlan sah, daß Shota die Tränen über die Wangen liefen. Plötzlich überkam sie die Erkenntnis wie eine Flut, die ihr Innerstes in eiskalte Panik versetzte: Shota war gar nicht verärgert. Sie hatte Angst.
Deswegen war sie hier: nicht, weil sie verärgert darüber war, daß Kahlan noch lebte oder sie ein Kind bekommen könnten. Sie war hier, weil sie entsetzliche Angst hatte. Die Vorstellung, daß Shota, eine Hexe, Angst hatte, war schlimmer als alles, was sie sich vorstellen konnte.
Richard starrte sie mit aufgerissenen Augen an. »Aber … wir müssen doch irgend etwas tun können, irgend etwas, um das zu verhindern.«
»Wir?« kreischte sie und stach ihm mit dem Finger in die Brust. »Nein, du! Du allein, Richard Rahl. Ganz allein! Du bist der einzige, der das richten kann!«
»Ich? Warum ich?«
»Das weiß ich nicht«, greinte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. »Aber du bist der einzige, der die Kraft dazu hat.« Sie pochte ihm mit der Faust auf die Brust. »Du!« Immer wieder schlug sie gegen seine Brust, während er einfach nur dastand. »Du bist der einzige, der eine Chance hat! Warum, weiß ich nicht, aber du bist der einzige, der das richten kann. Nur du kannst den Riß im Schleier schließen.« Shota schluchzte. »Du allein, du dummes, törichtes Kind.«
Kahlan war wie benommen von der Ungeheuerlichkeit dessen, was hier geschah. Die Vorstellung, der Hüter könnte los sein, überstieg ihr Begriffsvermögen. Die Toten in der Welt der Lebenden – dieses Grauen konnte sie sich kaum vorstellen, doch als sie sah, wie sehr sich Shota fürchtete, bekam ihre Angst ein Maß.
»Shota … ich weiß nichts darüber. Ich habe keine Ahnung, wie ich…«
Shota trommelte noch immer unter Tränen gegen seine Brust. »Du mußt. Du mußt einen Weg finden. Du hast keine Ahnung, was der Hüter mir antun würde, was er einer Hexe antun würde. Wenn du es nicht für mich tust, dann tu es für dich selbst, tu es für Kahlan. Er würde ihr eine Ewigkeit voller Qualen bereiten, und das aus keinem anderen Grund als dem, daß du sie liebst. Er würde ihr das antun, nur um es für dich schlimmer zu machen. Wir alle werden gezwungen werden, bis in alle Ewigkeit auf der Grenze zwischen Leben und Tod zu verweilen, wo wir uns unter Qualen winden.« Sie schluchzte, konnte sich nicht mehr beherrschen. »Man wird uns die Seele aus dem Leib reißen … er wird unsere Seelen besitzen … für immer.«
Shota schlug Richard gegen die Brust. »Für immer, Richard. Ein seelenloser Geist, gefangen von den Toten. Eine Ewigkeit der Qualen. Du bist zu dumm, das zu begreifen. Du kannst dir unmöglich vorstellen, wie grauenhaft das wäre, bevor du es selbst gesehen hast.«
Kahlan hatte sich neben Richard gestellt und ihm zur Beruhigung die Hand auf die Schulter gelegt. Es machte ihr nichts aus mitanzusehen, wie er Shota tröstete. Sie sah, welch fürchterliche Angst die Hexe hatte. Kahlan konnte diese Angst nicht wirklich verstehen, weil ihr das Wissen über die Dinge fehlte, welches Shota besaß. Doch eigentlich genügte Shotas Reaktion bereits.
»Screelings sind in die Weite Agaden eingedrungen«, jammerte sie.
Richard sah sie an. »Screelings! In der Weite Agaden?«
»Screelings und ein Zauberer. Ein besonders widerwärtiger Zauberer. Samuel und ich konnten ihm mit wenig mehr als unserem Leben entkommen.«
»Ein Zauberer!« Richard legte ihr
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