Die Schwestern des Lichts - 3
dich dem Unaussprechlichen in Einzelteilen schicken.«
Diesmal starrte die andere auf den Teppich und erbleichte. »Vergib mir«, bat sie leise.
»Keine lebende Schwester des Lichts sieht etwas anderes in uns als eine Legende. Sollte ihnen dieser Name je zu Ohren kommen, könnten sie vielleicht auf dumme Gedanken kommen. Du darfst diesen Namen nie, niemals, laut aussprechen. Sollten dir die Schwestern des Lichts jemals auf die Schliche kommen oder herausfinden, wem du dienst, legen sie dir einen Rada’Han um den Hals, bevor du Gelegenheit hast, auch nur zu schreien.«
Die andere fuhr sich mit den Händen an die Kehle und stieß einen unterdrückten Schrei aus. »Aber ich…«
»Du würdest dir selbst die Augen auskratzen, um nicht sehen zu müssen, wie sie Tag für Tag anrücken, um dich auszufragen. Aus diesem Grund sollst du die Namen der anderen nicht kennen, damit du sie nicht verraten kannst. Deswegen kennen sie deinen Namen nicht, damit sie dich nicht verraten können. Es soll uns alle schützen, damit wir dienen können. Der einzige Name, den du kennst, ist meiner.«
»Aber Schwester … Ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als deinen Namen zu verraten.«
»Das sagst du jetzt. Doch hättest du den Rada’Han um deinen Hals, würdest du darum betteln, mich verraten zu dürfen, nur damit man ihn dir abnimmt … Aber es ist auch egal, ob ich dir vergebe. Enttäuschst du uns, wird der Namenlose alles andere als versöhnlich sein. Ein Blick in seine Augen läßt das, was man dir bei lebendigem Leib unter dem Rada’Han antun könnte, wie ein nettes Teestündchen erscheinen.«
»Aber ich diene … ich habe geschworen … ich habe meinen Eid geleistet.«
»Wer dient, der wird seinen Lohn erhalten, sobald der Namenlose vom Schleier befreit ist. Wer ihn enttäuscht oder bekämpft, wird eine ganze Ewigkeit Zeit haben, seinen Fehler zu bereuen.«
»Natürlich, Schwester.« Mittlerweile starrte sie wütend auf den Teppich. »Ich lebe nur, um zu dienen.« Sie faltete die Hände wieder. »Ich werde unseren Herrn und Meister nicht enttäuschen. Bei meinem Eid.«
»Bei deiner Seele.«
Sie hob trotzig den Blick. »Ich habe meinen Eid geleistet.«
Die andere nickte und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »So wie wir alle, Schwester.« Sie sah ihr einen Augenblick lang in die Augen. »Stand noch etwas in dem Buch?«
»Ich hatte nicht die Zeit, es gründlich zu lesen, doch ein paar andere Dinge sind mir aufgefallen. Er ist bei der Mutter Konfessor. Er ist ihr als Gatte versprochen.«
Sie runzelte die Stirn. »Die Mutter Konfessor.« Sie winkte ab. »Das ist kein Problem. Was noch?«
»Er ist der Sucher.«
Sie ließ ihre Hand auf den Schreibtisch krachen. »Verflucht sei das Licht!« Sie seufzte laut. »Der Sucher. Nun, damit werden wir schon fertig werden. Sonst noch was?«
Die andere nickte langsam und beugte sich weiter vor. »Er ist stark; er ist erwachsen, und doch haben ihm die Kopfschmerzen bereits zwei Tage nach Auslösen der Gabe das Bewußtsein geraubt.«
Die Schwester hinter dem Schreibtisch erhob sich aus ihrem Sessel. Diesmal war es an ihr, große Augen zu machen. »Zwei Tage«, hauchte sie. »Bist du sicher? Zwei Tage?«
Ihr Gegenüber zuckte mit den Achseln. »Ich erzähle dir nur, was in dem Buch stand. Ich weiß genau, was dort stand. Ich bin nicht sicher, ob es stimmt. Ich wüßte nicht, ob es stimmen könnte.«
Sie ließ sich in ihren Sessel zurücksinken. »Zwei Tage.« Sie starrte auf ihren Schreibtisch. »Je eher wir ihm den Rada’Han anlegen, desto besser.«
»In diesem Punkt wären sogar die Schwestern des Lichts mit dir einer Meinung. Es wurde übrigens eine Antwort zurückgeschickt. Von der Prälatin.«
Sie zog eine Braue hoch. »Die Prälatin hat selbst Anordnungen gegeben?«
Die andere nickte. »Ja.« Kaum hörbar fügte sie hinzu: »Ich würde gern wissen, ob sie mit uns oder gegen uns ist.«
Die Frage wurde übergangen. »Was hat sie gesagt?«
»Daß Schwester Verna ihn persönlich töten soll, falls er das dritte Angebot ablehnt. Hast du jemals eine solche Anordnung gehört? Wenn er wirklich so stark ist und beim dritten Mal ablehnt, wäre er doch ohnehin ein paar Wochen später tot. Warum sollte sie eine solche Anordnung geben?«
»Hast du je gehört, daß jemand das erste Angebot abgelehnt hätte?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Das ist eine der Regeln. Lehnt jemand mit der Gabe alle drei Angebote ab, muß er getötet werden, damit ihm das Leid und der Wahn am
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