Die Schwestern des Lichts - 3
geschaffen.«
Er fiel auf die Knie. »Seid gelobt, Schwester. Lieber schlage ich mich mit hundert wilden Heiden herum, als die Stimme des Propheten hören zu müssen. Ihr habt mein Wort, bei meinem Leben.«
»So sei es denn. Geh zurück auf deinen Posten. Und bei Dienstende gehst du zum Hauptmann der Wachmannschaft und sagst ihm, Schwester Margaret hätte angeordnet, dich neu einzuteilen.« Sie legte ihm die Hand auf den Kopf. »Der Schöpfer möge sein Kind segnen.«
»Ich danke Euch, Schwester, für Eure Güte.«
Sie setzte ihren Weg über den Festungswall bis zu dem kleinen Säulengang am Ende fort, stieg die Wendeltreppe hinab und betrat die von Fakkeln erleuchtete Halle vor der Tür zu den Gemächern des Propheten. Zwei Wachen mit Speeren flankierten die Tür. Wie ein Mann verneigten sie sich.
»Es heißt, der Prophet habe gesprochen, durch den Schild hindurch?«
Kalte, finstere Augen erwiderten ihren Blick. »Tatsächlich? Ich habe nicht das geringste gehört.« Er sprach mit dem anderen Posten, ohne die Schwester aus den Augen zu lassen. »Nicht das geringste. Er war verschwiegen wie ein Grab.«
»Hat der Junge oben sich verplappert?« wollte der erste wissen.
»Seit langer Zeit ist es dem Propheten nicht mehr gelungen, etwas anderes als den Ruf nach einer Schwester durch unseren Schild dringen zu lassen. Kevin hat den Propheten zuvor niemals sprechen hören, das ist alles.«
»Sollen wir dafür sorgen, daß er niemals wieder etwas hört? Oder ausplaudert?«
»Das wird nicht nötig sein. Er hat mir einen Eid darauf geschworen, und ich habe ihm gesagt, er solle sich versetzen lassen.«
»Einen Eid.« Der Mann zog bei dem Wort eine säuerliche Miene. »Ein Eid ist bloß dahingeplappertes Geschwätz. Der Eid der Klinge ist aufrichtiger.«
»Wirklich? Soll ich daraus etwa schließen, dein eigener Eid sei ebenfalls nichts weiter als ›dahingeplappertes Geschwätz‹? Sollten wir uns dann nicht auch der ›Aufrichtigkeit‹ deines Schweigens vergewissern?« Schwester Margaret hielt seinem finsteren Blick stand, bis der Mann schließlich geknickt den Kopf senkte.
»Nein, Schwester. Mein Eid ist durchaus ernst gemeint.«
Sie nickte. »War sonst noch jemand in der Nähe, der ihn hat schreien hören?«
»Nein, Schwester. Als er anfing, nach der Prälatin zu rufen, haben wir sofort das Gelände abgesucht. Weder ein Dienstbote noch sonst jemand war in der Nähe. Als wir wußten, daß alles in Ordnung ist, habe ich auch an den entlegenen Eingängen Wachen aufgestellt und eine Schwester holen lassen. Er hat noch nie nach der Prälatin gerufen, immer nur nach einer Schwester. Ich dachte, eine Schwester, und nicht ich, sollte entscheiden, ob die Prälatin mitten in der Nacht geweckt werden darf.«
»Sehr gut. Ihr denkt mit.«
»Jetzt, wo Ihr hier seid, Schwester, sollten wir auch nach den anderen sehen.« Sein Gesicht verfinsterte sich erneut. »Um uns zu überzeugen, ob niemand etwas gehört hat.«
Sie nickte. »Und betet, daß Schwertmann Andellmere vorsichtig ist und nicht von einer Mauer stürzt und sich den Hals bricht. Sonst werde ich Euch suchen kommen.« Der Wächter stöhnte genervt auf. »Hört ihr aber, daß er nur ein einziges Wort von dem wiederholt, was er heute nacht mitbekommen hat, dann holt noch vor dem nächsten Atemzug eine Schwester.«
Hinter der Tür, auf halbem Weg im Innengang, blieb sie stehen und tastete den Schutzschild ab. Sie hielt das Buch mit beiden Händen vor die Brust gedrückt, konzentrierte sich und suchte nach der Bresche. Als sie sie gefunden hatte, mußte sie lächeln: eine winzige Delle im Geflecht. Wahrscheinlich hatte er schon seit Jahren daran herumgestochert. Sie schloß die Augen, verwob die Bresche und verschloß sie mit einem Kraftdorn, der ihm einen Strich durch die Rechnung machen würde, sollte er das gleiche noch einmal versuchen. Sein Einfallsreichtum und seine Hartnäckigkeit waren ebenso beeindruckend wie armselig. Andererseits, was hatte er sonst schon groß zu tun?
Im Innern seiner geräumigen Gemächer brannten die Lampen. Eine der Wände war mit Teppichen behangen, und auch der Boden war großzügig mit den bunten, gelb-blauen Teppichen ausgelegt, wie man sie hier in der Gegend kannte. Die Bücherregale waren halb leer. Bücher, die in sie hineingehörten, lagen überall herum, manche auf Sesseln und Sofas, manche mit der aufgeschlagenen Seite auf Kissen am Boden, manche waren gleich neben dem Lieblingssessel des Propheten am kalten Kamin
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