Die Schwestern des Lichts - 3
seinem Bruder und wollte nichts Böses von ihm denken. Er hat für sein Vertrauen, für seinen Fehler, mit dem Leben bezahlt.«
Kahlan wandte in der bedrückten Stille den Blick ab. Sie sah ihn fragend an. »Was ist mit dem Pfeil? Was ist mit der Wunde an deinem Kopf? Wir müssen uns um deine Wunden kümmern.«
Chandalen zog den Kragen seines Wildlederhemdes auf die Seite, so daß ein Verband über seiner linken Schulter zum Vorschein kam. »Die Männer sind in der Nacht zurückgekommen. Sie haben meinen Kopf genäht. Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Sie haben auch den Pfeil entfernt.«
Er zuckte zusammen, als er das Hemd wieder über seine Schulter streifte. »Ich habe Prindin gut unterrichtet. Er hat einen Pfeil mit einer Klinge benutzt. Klingenpfeile richten beim Austreten größeren Schaden an als beim Eintreten. Einer der Männer, der die Verwundeten amputiert und näht, hat den Pfeil herausgeschnitten und mich zusammengeflickt. Der Pfeil war auf Knochen gestoßen und ist nicht allzutief eingedrungen. Mein Arm ist steif, und ich werde ihn eine Weile nicht gebrauchen können.«
Kahlan betastete ihr Bein. Unter ihrer Hose war ein Verband. »Hat er mein Bein auch genäht?«
»Nein. Es mußte nicht genäht, sondern nur verbunden werden. Das habe ich getan. Bei dir hat Prindin eine runde Spitze verwendet. So habe ich ihm das nicht beigebracht. Ich weiß nicht, warum er es getan hat.«
Kahlan spürte die Gegenwart der Leiche neben sich. »Er wollte ihn aus mir herausziehen können, nachdem er das Gift in mich hineingeschossen hatte«, sagte sie ruhig. »Er wollte ihn aus dem Weg haben. Er hatte vor, mich zu vergewaltigen, bevor er mich an den Feind ausliefert.«
Chandalen betrachtete die Leiche, da er Kahlan nicht ins Gesicht sehen wollte, und meinte, er sei froh, daß es nicht dazu gekommen war.
Sie berührte seine linke Hand. »Und ich bin froh, daß es deine linke Schulter war und nicht deine Kehle.«
Er zog eine nachdenkliche Miene. »Ich habe Prindin beigebracht, wie man schießt. Aus dieser Entfernung hätte er meine Kehle niemals verfehlen dürfen. Wieso hat er mich nicht in den Hals geschossen?«
Sie zuckte mit den Achseln und tat, als wüßte sie es nicht. Er grunzte mißtrauisch.
»Chandalen, wieso liegt seine Leiche noch hier? Warum hast du ihn nicht fortgeschafft?«
Er bewegte seinen verwundeten Arm leicht mit der anderen Hand und brachte ihn in eine bequemere Lage. »Weil das Seelenmesser meines Großvaters noch in ihm steckt.« Er betrachtete sie mit ernster Miene. »Du hast die Hilfe von Großvaters Knochen benutzt, seine Seele, um dich selbst zu schützen und das Leben eines anderen zu nehmen. Großvaters Seele ist jetzt mit dir verbunden. Niemand sonst darf sein Knochenmesser jetzt anfassen. Es gehört dir, und nur du darfst es berühren. Du mußt es herausziehen.«
Kahlan überlegte einen kurzen Augenblick, ob sie das Messer nicht einfach lassen könnte, wo es war, es mit dem Toten begraben könnte. Vielleicht sollte man auch das Knochenmesser zur Ruhe legen. Doch dann verwarf sie den Gedanken. Für die Schlammenschen war dies eine mächtige Seelenmagie. Sie würde Chandalen kränken, wenn sie das Messer zurückwies.
Vielleicht kränkte sie möglicherweise auch die Seele von Chandalens Großvater, wenn sie das Messer nicht wieder an sich nahm. Sie war nicht völlig sicher, ob es nicht die Seele in diesem Knochenmesser gewesen war, die Prindin getötet und sie gerettet hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie das Messer in ihre Hand gekommen war.
Kahlan streckte die Hand aus und schloß die Finger um das runde Ende, das aus Prindins Brust ragte. Es gab ein saugendes Geräusch, als sie das Messer aus der Leiche zog. Sie wischte es an den Fichtenzweigen ab, die den Boden bedeckten.
Kahlan führte das runde Ende an die Lippen und küßte es sacht. »Ich danke dir, Großvaterseele, daß du mir das Leben gerettet hast.« Irgendwie schien dies genau das richtige zu sein.
Chandalen lächelte, während sie das Knochenmesser unter das Band um ihrem Arm schob. »Du bist ein guter Schlammensch. Du weißt, was zu tun ist, ohne daß ich es dir erklären muß. Großvaters Seele wird immer über dich wachen.«
»Wir müssen nach Aydindril, Chandalen. Der Schleier zur Unterwelt ist eingerissen. Wir haben unsere Pflicht getan und diesen Männern hier geholfen. Jetzt muß ich meine Aufgabe erfüllen.«
»Als wir diesen Männern begegnet sind, wollte ich nicht bei ihnen bleiben. Ich wollte mich aus
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