Die Schwestern des Lichts - 3
heraus. »Ist sie eine deiner Lehrerinnen?«
»Ja. Ich mag sie. Sie ist die netteste von allen.«
Perry hielt das Hemd vor seinen Körper. »Wie steht mir das?«
»Besser als mir. Kennst du Liliana?«
»Eigentlich nicht. Mir läuft es nur immer kalt den Rücken runter, wenn ich sie sehe. Sie hat so seltsame Augen.«
Richard mußte an Lilianas sehr, sehr blasse blaue Augen denken, die mit violetten Sprenkeln durchsetzt waren. Er zuckte mit den Achseln. »Zuerst dachte ich auch, sie wären komisch. Aber sie ist so temperamentvoll und freundlich, daß sie mir kaum noch auffallen. Sie hat so ein warmes Lächeln, daß es schwerfällt, überhaupt noch etwas anderes zu sehen.«
65. Kapitel
Richard saß ruhig da, die Beine untergeschlagen, während das Schwert auf seinen Knien ruhte. Er trug das Cape des Mriswith, um sich vor Pasha und Schwester Verna zu verbergen. Keine der beiden sollte wissen, daß die Sonne im Hagenwald über ihm untergegangen war. Wenn sie wüßten, was er gerade tat, würden sie ihm gewiß beide folgen.
Er hatte eine kleine Lichtung gefunden, die hoch genug lag, um trocken zu sein, und dort seit Sonnenuntergang gewartet. Durch das dichte Astgeflecht konnte er den Mond erkennen und schätzte, daß er ungefähr zwei Handbreit hoch stand. Was nun eigentlich im Hagenwald geschah, wenn die Sonne dort über einem untergegangen war, wußte er nicht, bislang schien alles so zu sein wie immer, wenn er sich des Nachts dort aufgehalten hatte.
Er antwortete auf Lilianas Ruf, und sie trat hinter einer dicken Eiche hervor. Sie sah sich im Wald um. Ihr Blick war keinesfalls zaghaft, sondern taxierte ihn selbstbewußt.
Sie setzte sich vor ihm hin und schlug die Beine übereinander. »Ich habe den Gegenstand, der uns helfen wird. Den, von dem ich dir erzählt habe.«
Richard lächelte erleichtert. »Ich danke Euch, Liliana.«
Sie holte ihn unter ihrem Umhang hervor. Im Schein des Mondes konnte er erkennen, daß es sich um die kleine Statue eines Mannes handelte, der einen Gegenstand, klar wie Glas, in den Händen hielt. Sie hielt sie hoch, um sie ihm zu zeigen.
»Was ist das?«
»Der Kristall, der durchsichtige Teil hier, besitzt die Fähigkeit, die Gabe zu verstärken. Wenn es stimmt, daß du subtraktive Magie besitzt, habe ich nicht die Macht, dir den Rada’Han abzunehmen, denn ich besitze nur additive Magie. Halte dies in deinem Schoß. Wenn wir uns dann im Geist vereinigen, wird dies dir helfen, deine Kraft zu verstärken, damit ich sie benutzen und den Zugriff brechen kann.«
»Gut. Fangen wir an.«
Sie zog die Statuette zurück. »Erst muß ich dir den Rest erklären.«
Er blickte in ihre bleichen, blassen blauen Augen, betrachtete die dunklen Sprenkel, mit denen sie durchsetzt waren. »Also gut, erzählt es mir.«
»Der Grund, weshalb du nicht helfen kannst, den Halsring abzunehmen, ist der, daß du nicht ausgebildet bist, deine Gabe zu gebrauchen. Du weißt nicht, wie du deine Kraft lenken sollst. Dies wird diesen Mangel beheben. Hoffe ich.«
»Du versuchst mich vor irgend etwas zu warnen.«
Sie nickte einmal knapp. »Du weißt nicht, wie man den Fluß kontrolliert, daher bist du dem Gegenstand auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Doch diese magische Hilfe weiß nicht, was Schmerzen sind. Sie tut ganz einfach das, was sie tun muß. Was ich benötige.«
»Ihr sagt mir also, daß es weh tun könnte. Ich bin bereit, Schmerzen auszuhalten. Fangen wir endlich an.«
»Nicht ›könnte‹.« Sie hob warnend einen Finger. »Es ist gefährlich, Richard. Es wird dir bestimmt weh tun. Es wird sich anfühlen, als würde dein Verstand in Stücke gerissen. Ich weiß, du willst es unbedingt tun, doch ich will dir nichts vormachen. Du wirst glauben, daß du stirbst.«
Er spürte, wie ihm der Schweiß den Nacken hinablief.
»Ich muß es tun.«
»Ich werde mein Han lenken und auf diese Weise versuchen, den Zugriff des Halsrings zu brechen. Die Hilfe wird dir Kraft entziehen, damit ich das Nötige tun kann, um den Rada’Han zu überwinden. Es wird dir weh tun.«
»Liliana, ich halte alles aus, wenn es sein muß. Es geht nicht anders.«
»Hör mir zu, Richard. Ich weiß, du willst es unbedingt tun, aber hör mir trotzdem zu. Ich werde dir deine Gabe entziehen, um dir auf diese Weise zu helfen, den Halsring zu zerbrechen. Dein Geist wird denken, ich würde versuchen, dir das Leben zu entziehen. Ganz tief in deinem Innern könntest du glauben, ich wollte dir die Gabe, das Leben selbst aussaugen.
Du
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