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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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dachte nicht darüber nach. Rosina hätte den beiden gerne eine zweite Schüssel Suppe spendiert, doch der Wirt hatte misslaunig verkündet, das sei alles, er koche erst morgen neue. Samstags frische Suppe, so sei’s nun mal.
    Dass die Suppe eine Woche lang über der Feuerstelle in der, sanft ausgedrückt, schmuddligen Küche vor sich hin geköchelt hatte, war für Rosinas Wohlbefinden wenig förderlich, aber obwohl sie hungrig war, war sie klug genug gewesen, für sich selbst nichts zu bestellen. Wenigstens war es zu kalt, als dass die Suppe hätte schimmeln können. Die beiden Straßenhändler genossen die unerwartete Mahlzeit, sie war heiß und fett und würde sie den ganzen Tag wärmen, auch das trübe, säuerliche Bier mundete ihnen.
    Rosina war nicht zimperlich, sie hatte viele üble Schänken gesehen, diese in einem Keller in den Raboisen gehörte eindeutig dazu. Mette nahm einen Schluck Bier und lehnte sich wohlig seufzend zurück. «Ach ja», sie seufzte noch einmal, «die liebe Wanda. Sie war ein freundliches mitfühlendes Ding, das war sie wirklich. Oder etwa nicht, Eustach?»
    Ihr Bruder war immer noch mit seiner Suppe beschäftigt, während er das Brot in seinen Napf tauchte, nickte er trotzdem.
    «Habt Ihr sie lange gekannt?»
    Mette blickte irritiert, als sie ihren Kopf vorneigte, verstand Rosina, dass sie schwer hörte, und wiederholte ihre Frage. Ein diskretes Gespräch würde das sicher nicht.
    «Lange gekannt? O ja, das haben wir», erklärte Mette, «das eine oder andere Jahr. Die Zeit ist ein Vogel, liebe Madam, fliegt dahin, dahin, dahin. Sie war immer freundlich, die Wanda. Nicht, Eustach, das war sie doch.»
    Eustach nickte und löffelte.
    «Schrecklich», begann Rosina und machte ein tragisches Gesicht, «keiner hat sie gesucht, als sie über Nacht einfach verschwand. Ihre Herrschaft hat gedacht, sie ist ihrem, nun ja, ihrem Verlobten nachgereist, Blanck, dem Schreiber der Paulis.»
    «Verlobter? Ach was.» Mettes Blick flitzte durch die Schänke, traf abschätzig zwei rotnasige Trinker auf der Bank beim Durchgang zum Hof und neigte sich ihr näher zu. Rosina bemühte sich, nicht zu tief zu atmen. Es war eben schwer, sich sauber zu halten, wenn man in einem Keller hausen musste. «Ich sag Euch was, Madam, die Wanda war viel zu schade für den, aber sie hat immer gehofft, das dumme liebe Ding, ja, das hat sie. Und geglaubt, was er versprochen hat. Dann ist er in den Süden gereist, und sie hat gesagt, er holt sie bald nach, ja, oder er schickt einen, der sie holt. Aber wir verstehen das nicht. Eustach? Das verstehen wir doch nicht?»
    Eustach nickte folgsam. Auch sein Napf war nun leer, doch er war noch mit den Resten am Rand der Schüssel und dem Brot beschäftigt, was seine ganze Konzentration erforderte.
    «Der Blanck», erklärte Mette weiter, «war doch für Monsieur Pauli unterwegs, ist er immer noch, wir ham ihn jedenfalls nicht wieder hier gesehen. Ist ja auch ’ne weite Reise. Da gibt es so Gemunkel, viel Geld soll er dabeihaben und gar nicht zurückkommen, ja, Gemunkel. Die Menschen reden immer gerne schlecht. Wobei – dem Blanck trauen wir das zu. Das tun wir doch, Eustach?»
    Eustach nickte und kaute weiter auf dem Brotkanten, nur auf der rechten Seite, wo er noch die meisten Zähne hatte.
    «Ja, dem trauen wir das zu. Alles. Ein schöner Mann, aber immer so was im Blick, wenn Ihr versteht, was ich meine, Madam. So was – Flackeriges. Tut immer fein, so einer sucht sich eine andere Braut, eine, die was hat und eine Familie für den Aufstieg und Mitgift und alles.» Sie lehnte sich wieder zurück, schob die Unterlippe vor und dachte einen Augenblick nach.
    «Sie hatte keine Familie?», nutzte Rosina rasch die Lücke. «Das ist wirklich traurig. Aber sicher hatte sie Freundinnen, ich glaube, ich kenne sogar eine. Mamsell Elske vom Eschenkrug auf dem Borgesch, kennt Ihr die? Wanda wird doch von ihren Freundinnen erzählt haben?»
    «Davon wissen wir nichts», sagte der alte Eustach, bevor Mette antworten konnte, «und auf dem Borgesch kennen wir uns nich’ aus. Das ist ja vorm Steintor, da gehen wir auch nie hin. Man weiß nie, ob sie unsereinen wieder reinlassen, zurück in die Stadt, mein ich.»
    «Elske?», überlegte Mette laut, ohne den Unmut im Blick ihres Bruders zu bemerken, vielleicht übersah sie ihn nur geflissentlich. Es geschah selten, dass sich jemand mit ihr unterhielt, sogar Fragen stellte, anstatt vor allem selbst zu reden. Es war, als sei der Tag heller als

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