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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sie dennoch einige Male hier gewesen, zuletzt im Dezember, kaum jemals allerdings aus so ernstem oder – das vor allem – traurigem Anlass.
    Der ganze Raum wirkte heiter, die Möbel weiß und gold, wie das Service, in dem eines ihrer Mädchen Tee und kleine englische Kuchen serviert hatte, die Tapeten in mattem Rosa, die Vorhänge in dunklem Weinrot wie die Polsterbezüge der Möbel, die Rahmen um die ungewöhnlichen Bilder – drei lichte Aquarelle – schmal und vergoldet. Selbst der in chinesischer Manier schwarz lackierte Sekretär mit den Einlegearbeiten von goldenen Vögeln und Blumen wirkte leicht und heiter. Einzig dem klobigen Kasten aus tiefschwarzem eisenharten Ebenholz mit drei Schlüssellöchern fehlte jede Gefälligkeit.
    Es war nicht zu übersehen: Franziska Junius war eine wohlhabende Frau. Allein ihr für diese Stunde etwas zu offizielles Gewand aus mit winzigen weißen und blassroten Blüten besticktem rosenholzfarbenem Seidentaft war nach den Maßstäben einer Schankmagd ein kleines Vermögen wert. Sie liebte leichte Farben, nur Blau in allen seinen Varianten war weder in ihrer Garderobe noch in der Ausstattung ihrer Räume zu entdecken. Sie mochte diese Farbe nicht. Seltsamerweise trug sie, abgesehen von zwei silbrig schimmernden Schildpattkämmen in ihrem weißblonden streng frisierten Haar, keinen Schmuck, nicht die kleinste Perle. Ihren Besucherinnen fiel das nicht auf. Sie kannten Madam Franziska gut genug, um zu wissen, dass sie ihren kostbaren Schmuck erst anlegte, wenn sie ihre privaten Räume verließ.
    Elske hätte gerne gewusst, wonach es in Franziskas Salon duftete. Ganz leicht nur, unaufdringlich, kostbar. Rosen, Maiglöckchen oder Melisse kannte Elske. Auch Minze und Lavendel. Es war etwas anderes, etwas, das ihr unbekannt war, weil es in den Gärten ihrer Welt nicht gedieh. Es hieß, Franziskas, Pardon, Madams Verbindungen gingen sehr weit, also musste es für sie ein Leichtes sein, Essenzen oder Duftwässer aus Italien oder gar dem Orient zu beziehen, oder aus noch ferneren Weltgegenden, zum Beispiel diesem Land von unermesslicher Größe namens China, woher auch der teure Tee kam, den sie gerne trank. Dass sie es sich erlauben konnte, bezweifelte Elske keine Sekunde. Natürlich hätte sie einfach nach dem Ursprung des Duftes fragen können – auch daran dachte sie nicht.
    Elske Probst war eine handfeste Person. Wie die anderen beiden Frauen im Raum hatte sie die dreißig überschritten, sie hatte eine Menge erlebt und wusste sich energisch zu wehren. Sie ließ sich von niemand leicht einschüchtern und hätte auch niemals zugestanden, dass Madam Franziska genau dies tat. Dabei war das keine Schande, Elske kannte niemand, der in Franziskas Gegenwart wirklich heiter und unbefangen gewesen wäre. (Abgesehen von ihrem Ehemann, vielleicht, doch das war eine andere, sehr eigene Geschichte, und mit Ehemännern kannte Elske sich sowieso nicht aus.) Seit wann war das so? Wahrscheinlich schon immer, nur war es weniger aufgefallen, als es Kleider aus Seide, diesen duftenden Salon, überhaupt das Haus und das Leben darin noch nicht gegeben hatte.
    «Wenn du so sicher bist», hörte sie Franziska die angespannte Stille beenden, hörte auch das Rascheln der Taftröcke, als sie sich setzte, «wenn du wirklich sicher bist, Wilhelmine, dann …»
    «Was soll das?», fiel Elske ihr ruppig ins Wort. «Glaubst du, wir wären sonst hier? Wir haben keine Kutsche, was du gerne vergisst, für uns ist das ein weiter Weg. Fast bis nach Wandsbek.» Und dann, nach einem kurzen heftigen Moment, war sie wieder da, diese Unsicherheit, die Franziskas kühler Blick aus diesen kleinen schwarzen Augen stets auslöste. Zorn stieg in ihr auf, gerade weil sie es spürte und nicht weiterwusste.
    «Lass uns gehen, Mine», sagte sie, stand auf, schlang ihr Wolltuch um die Schultern und sah ihre Freundin auffordernd an. «Madam in ihrer sicheren Burg schert sich nicht um unsere Sorgen.»
    Aber Wilhelmine starrte auf ihre so fest ineinander verschränkten Hände, dass die Fingerknöchel in der geröteten Haut weiß hervortraten.
    «Nein, Elske», sagte sie, «das geht nicht. Setz dich auch wieder. Franziska hat doch recht, es ist wirklich ziemlich verrückt. Aber Elske hat sicher auch recht», wandte sie sich an Franziska, die immer noch mit seltsam starrer Miene Elske ansah, «und vielleicht – ach, ich weiß nicht, vielleicht ist es nur, weil ich wieder davon träume. Ich entkomme immer, aber ich bin nie

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