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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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andere Tage, da konnte Eustach gucken, wie er wollte. «Kann sein. Elske. Da war noch eine andere. Der Name fällt mir grad nicht ein. Oder zwei? Schwestern, hat sie mal gesagt, wie Schwestern sind die. Ach, gewesen, nur gewesen.»
    Sie wischte sich schniefend mit dem Handrücken unter der Nase entlang und fuhr fort, als hätte sie diesen Gedankengang nie unterbrochen: «Der Blanck jedenfalls war keiner, der Schreiber bleiben will, dabei kann er Gott für die schöne Arbeit und das Auskommen danken, feine Kleider, das gute Haus, all das. Immer warm da drin, fast bis unters Dach. Und jetzt die Reise. In ’ner Postkutsche. Was sind das nur für Zeiten, wo den Menschen der Platz im Leben nicht mehr genug ist, den Gott ihnen zugedacht hat. Aber ich sag Euch was, liebe Madam, ich sag Euch was, nämlich was wir hier denken. Ich bin sicher, Ihr behaltet das für Euch, man soll ja kein falsch Zeugnis reden wider seinen Nächsten, das soll man gewisslich nicht. Ich glaub aber nicht, dass es falsch ist. Wir hier in der Straße und am Ufer bis zur Bastion, wir glauben das nicht. Es ist nämlich», wieder versicherte sie sich mit raschen Blicken, ob jemand lauschte, «es ist nämlich anders gewesen. Im letzten Sommer, da war sie eine Zeit lang ziemlich dick, die meisten ham es nicht gemerkt, aber ich! Ich seh das. Jedenfalls kann das nicht nur vom Essen gekommen sein, die Paulis geben ihren Leuten nicht so gutes Essen, dass die davon fett werden. Die Paulis nicht, die zählen jeden Abend die Reiskörner nach, ja, das sagt man. Wenn man auch nichts Schlechtes sagen soll, was wahr ist, muss wahr bleiben. Also, dann ist das Mädchen mit Madam Pauli für ’n paar Wochen aus der Stadt gefahren, die Paulis haben kein Gartenhaus, aber sie haben Freunde, die eins haben, da sind sie gewesen, und dann – was hast du, Eustach?»
    Ihr Bruder hatte seine Mahlzeit nun endgültig beendet. Er hatte wieder zugehört und bei der Erwähnung des Gartenhauses warnend den Finger gehoben. «Hüte deine Zunge, Schwester. Is’ doch alles nur Gerede.»
    Mette verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mit grimmigem Blick ein rabenschwarzes Loch in die Luft.
    «Gerede», sagte sie dann, einen Anflug von Trotz in der Stimme. «Kann sein, ist aber nicht vom Himmel gefallen, und nu’ ist sie tot. Ich sag ja nicht, dass er’s getan hat, ich meine – das Letzte getan hat. Das am Wasser. Aber vorher, das war er. Da kannst du sagen, was du willst.»
    Rosina verstand kein Wort, was erstaunlich war, da sie für gewöhnlich auch Andeutungen gut und zumeist richtig zu interpretieren wusste. Mette ignorierte wieder den besorgt warnenden Blick ihres Bruders und sprach schon weiter, wenn auch mit gesenkter Stimme, was bei einer Schwerhörigen doppelt zählt.
    «Versteht Ihr nicht? Erst dick, dann wieder dünn. Sie kam schlank wie ’ne Pappel zurück, war wie früher. Sie …»
    «… hat da eben wenig gegessen und viel im Garten gearbeitet», warf ihr Bruder beschwörend ein, «oder sie war krank. Da auf ’m Land gibt’s furchtbar viel Dreck und Dämpfe, da holt man sich alles Mögliche.»
    «Tüddelitütt!» Mette trank nun ihr zweites Bier, die Wirkung auf die vertrocknete, für gewöhnlich scheu wirkende alte Jungfer war erstaunlich. «Auf der Hinfahrt war sie in Umständen, auf der Rückfahrt nicht. Dazwischen muss ja was passiert sein. Und wenn die Pauli, die zitronige Madam, immer so etepetete, sie nicht auf die Straße gesetzt hat oder gleich aus der Stadt gejagt, dann heißt das nur eins.»
    «Ja, nämlich dass du dir die Zunge verbrennst. Bald schneidet sie dir einer raus und wirft sie weg, das hast du dann davon.»
    «Hab ich irgendwas gesagt, was gelogen ist?»
    «Gewiss nicht», beeilte sich Rosina, die an Lautstärke zunehmende Uneinigkeit abzufangen. «Ich habe verstanden und werde alles für mich behalten.» Jedenfalls nicht eure Namen nennen, fügte sie in Gedanken hinzu.
    Sie bestellte noch eine doppelte Portion Speck und helles Roggenbrot, bezahlte die Zeche und verabschiedete sich. Sie hatte sich gerade erhoben, als die beiden Rotnasen von der hinteren Bank auf dem Weg zur Tür vorbeikamen.
    Der Ältere der beiden blieb stehen. Er steckte seine Tonpfeife in die Rocktasche, legte die Hände auf die Hüften und ließ seinen Unterleib die Bewegung machen, die überall auf der Welt verstanden wird und Damen tief erröten lässt. «Der Pauli», sagte er und lachte meckernd, «der feine Seidenkerl is’n ganz fleißiger, lässt keine aus,

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