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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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unaufhaltsam.
    Franziska war wieder ans Fenster getreten und sah hinaus in den Garten. Ihr Rücken war sehr gerade, ihre Finger lagen leicht gespreizt auf den Scheiben, als müsse sie die Spitzen kühlen. Dann drehte sie sich um, ging zu ihrem Stuhl zurück und setzte sich. «Also: Was wollt ihr tun? Was soll ich tun? Zum Weddemeister gehen?»
    «Unsinn», nun war es an Wilhelmine, Unmut zu zeigen, «das können wir nicht, das weißt du genau.» Mit ihrer so ruhigen wie entschlossenen, stets nach Eintracht strebenden Seele ließ sie sich am wenigsten von Franziskas Ausstrahlung kühler Überlegenheit einschüchtern. «Wir sorgen uns, Franziska, weil wir nicht wissen, was vorgeht, und nicht wissen, was wir tun können. Ich habe Angst, vor allem um meinen Sohn. Mir kann niemand Schrecklicheres antun, als mein Kind … meinem Kind zu schaden. Wir sind gekommen, weil drei Köpfe klüger sind als zwei. Es hat übrigens schon zwei Mal geklopft, Franziska, hast du es nicht gehört?»
    Sie hatte es tatsächlich nicht gehört, ihr abwesender Blick verriet, dass sie auch Wilhelmines letzte Sätze nicht wirklich aufgenommen hatte.
    «Entree», rief sie nun und sah aus den Augenwinkeln, schon wieder halbwegs amüsiert mit der ihr stets eigenen Prise Bosheit, wie Elske das Gesicht verzog und lautlos das französische Wort nachäffte.
    Ein makellos ganz in Rosé und Weiß gekleidetes Dienstmädchen trat ein (nur das Dekolleté schien ein wenig gewagt), knickste und überreichte Franziska ein gerolltes, mit einem einfachen verknoteten Bindfaden verschlossenes Schreiben. «Ein reitender Bote hat es gebracht, Madam, er sagt, er soll auf eine Antwort warten und es sei eilig.»
    Franziska nickte, streifte den Faden ab und entrollte den Bogen. Sie überflog die Zeilen, ihr Gesicht war unbewegt, nur ihre Brauen hoben sich leicht, als sie den Bogen wieder zusammenrollte.
    «Sage ihm, es dauert nicht lange. Bring ihn in die Küche, er wird hungrig und durstig sein.»
    Sie überlegte einen Moment, ihre Fingerspitzen klopften dazu einen unhörbaren Wirbel auf der Armlehne ihres Stuhls, dann blickte sie ihre beiden Besucherinnen entschlossen an. «Kommt mit», sagte sie, «ich will euch etwas zeigen. Es ist gleich hinter dem Garten in einem besonders idyllischen Hain. Und später musst du, Wilhelmine, etwas für mich, nein, für uns alle erledigen. Denn wenn ich richtig informiert bin, kennst du den Weddemeister? Erschrick nicht, was ich von ihm will, kann ihm nur recht sein. Andererseits», wieder trommelten ihre Finger einen lautlosen Wirbel, «sicher ist es besser, ihn nicht zu – nun, sagen wir: ihn nicht zu belästigen und den schon bewährten, den direkten Weg zu gehen. Ich werde noch darüber nachdenken.»
    Als die drei Frauen hinaus in den Garten traten, an der Seitentür hing wie am Hauptportal eine Laterne mit rot gefärbtem Glas, hallte ein Schuss. Erschreckt blieben Elske und Wilhelmine stehen, Franziska lächelte nur.
    «Das war sicher wieder eine meiner Nachbarinnen, eine exzentrische alte Dame, sie schießt nur in die Luft. Jedenfalls bisher. Sie hat das Gut geerbt, eine Bruchbude, und ist ständig in Sorge, überfallen zu werden. Irgendwer in ihrer Familie ist wohl mit dem Testament nicht einverstanden.» Franziska lächelte wieder auf diese Art, von der schwer zu beurteilen war, ob es von Amüsement oder genussvoller Bosheit zeugte. «Sie hat so etwas Unberechenbares, das ist äußerst erfrischend. Nun kommt schon. Ich habe wenig Zeit, der Bote wartet auf Antwort.»
    Sie lief weiter, plötzlich leichtfüßig. Wilhelmine und Elske folgten ihr immer noch halbherzig über den mit Brettern ausgelegten Weg – nicht mit Ästen und groben Bohlen, wie es in sumpfigen und moorigen Gegenden allenthalben üblich war, sondern guten Brettern –, folgten ihr hinüber zu dem Hain, der unter den rasch aufziehenden Wolken in ihren Augen ganz und gar nicht idyllisch wirkte, sondern düster und abweisend.

    Die alte Mette löffelte ihre Kohlrübensuppe mit erstaunlicher Geschwindigkeit und nagte und lutschte die Speckschwarte gründlich ab. Nun wischte sie mit dem vorletzten Stück Brot ihre Schüssel sauber. Das letzte schob sie ihrem Bruder zu, der bedächtig Löffel um Löffel zum Mund führte, sein Napf war noch halb voll. Vielleicht wusste er besser zu genießen, vielleicht war er nicht so hungrig wie seine Schwester. Mette verzichtete oft auf dieses und jenes, um es ihrem Bruder zu gönnen, er war es sein Leben lang so gewöhnt und

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