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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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geben lassen, als ich hierherkam. Zuerst hat sie sich geweigert, schließlich hat sie ihn mir gegeben.»
    «Warum hat sie sich geweigert?»
    «Ich weiß nicht. Sie hat keinen Grund genannt, und mir ist keiner eingefallen. Vielleicht hat sie gedacht, mit diesem Papier mache ich mich auf und davon. Dabei könnte ihr das doch nur recht sein.»
    Augusta überging die letzte bittere Bemerkung. «Vielleicht hat sie das gefürchtet, obwohl ein Taufschein noch kein Passpapier ist. Und nun? Was sagt der Taufschein?»
    «Danach ist alles nur Spintisiererei. Ich bin als Tochter von Steffen Runge, Feinbäckergeselle, und seinem angetrauten Eheweib in der Kirche St. Pauli auf dem Hamburger Berg getauft, auf den Namen Magdalena Maria Antonia Runge.»
    Dennoch klang es nicht erleichtert, als Molly aus tiefster Seele seufzte.
    Nachdem Augusta all das bedacht hatte, als sie die wohlige Wärme des indischen Tuches und die Entspannung selbst ihrer Füße spürte, glitt sie in einen leichten, doch erholsamen Schlaf. Er dauerte nur eine Viertelstunde, Augustas Geist war einfach zu wach. Wozu hatte sie sich trübe Gedanken um Langeweile und Einsamkeit gemacht, wenn das Leben mit all seinen Facetten, mit seine Freuden, Rätseln, auch seinen Gefahren und Ängsten, kurz und gut mit all seiner Überfülle immer direkt vor der Tür wartete. Oft sogar nur ein oder zwei Treppen weit im eigenen Souterrain.
    Für Molly konnte sie jetzt leider nichts tun. Sollte sie wirklich einen anderen Namen gehabt haben, musste man den erst wissen, bevor man sich in alten Akten auf die Suche machen konnte. Aber wenn Augusta das Ganze auch für eine interessante Geschichte hielt, glaubte sie nicht an einen ernsten Kern. Molly war zutiefst verletzt. Ausgerechnet ihre Mutter, der Mensch, auf den man immer und unerschütterlich vertrauen können sollte, hatte sich gegen sie gestellt und sie aus dem Haus gegrault. Der Konflikt war abgrundtief, eine Lösung nicht in Sicht. Kein Wunder, wenn Molly an ihrer Familie zweifelte. Gleichwohl war ein Taufschein mit dem Namen der Eltern, die immer noch ihre Eltern waren, kaum anzuzweifeln. Wenn es um Fürstentümer und Königreiche, um große Macht und Reichtum ging, mochte es jede Menge Mauscheleien mit solchen Dokumenten geben, aber ein einfacher Konditor, er war damals noch nicht einmal Meister gewesen, auf dem Hamburger Berg, diesem erst wenig bewohnten Landstrich zwischen dem Millerntor und Altona? War da nicht schon einmal etwas mit dem Hamburger Berg gewesen? Ihr fiel nichts ein, sie wurde wirklich vergesslich. So oder so, mit Molly konnte keine Erinnerung zu tun haben, die sich irgendwo in ihrem Kopf verkrochen hatte.
    Sie schenkte sich noch ein winziges Schlückchen Rosmarienbranntwein ein und ließ den Blick träge durch das Fenster wandern. Die Welt dort draußen war so wunderbar wie trügerisch. Obwohl es letztlich angenehm war, dass sie nun hier in ihrem Lieblingssessel liegen und die Abenteuer in Gedanken miterleben konnte, wäre es trotzdem ein gutes Mittel gegen zu viel Trägheit, endlich wieder eine vernünftige, zugleich unkonventionelle Gesprächspartnerin zu haben. Genau richtig! Es war höchste Zeit, Rosina wieder einmal einzuladen. Gerade jetzt, da Magnus sie alleine zurückgelassen hatte und auch Anne als ihre vertrauteste Freundin schon so lange verreist war, sollte sie sich unbedingt mehr um die junge Madam Vinstedt kümmern.
    Und weil Augusta bei allen für ihr Alter höchst unpassenden Sperenzien, zu denen sie hin und wieder neigte, eine praktische Person war, kam ihr eine fabelhafte Idee. Sie wollte Rosina einladen, sie nach Wandsbek zu begleiten. In der großen Kutsche waren kalte Winde nicht zu fürchten, die pelzgefütterten Decken taten ein Übriges. Für Rosina war es eine Abwechselung, eine Fahrt hinaus aus der Stadt machte ihr immer Freude, und bei dieser schönen Gelegenheit konnte sie, Augusta, endlich Amanda in Wandsbek besuchen, egal, ob der ihr Besuch genehm war oder nicht. Allmählich, so gestand Augusta sich ein, machte sie sich Sorgen um die alte Freundin.
    Ein anderes Versäumnis fiel ihr etliche Stunden später ein, nämlich als sie mitten in der Nacht von den Schreien der Wildgänse geweckt wurde. Sie hatte vergessen, Molly zu fragen, was sie mit dem jungen Präzeptor verband, dem Lehrer der Waisenjungen. Mit dem Vorsatz, das morgen nachzuholen, sank sie zurück in den Schlaf. Dieser große Freund der Menschen ist leider auch ein Hort vergessener, gar endgültig verlorener

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