Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
Gedanken, Vorsätze und allerbester Ideen.

    Rosina liebte Musik, umso mehr, als die Natur sie mit einer guten Singstimme und einem feinen Gehör bedacht und das eine wie das andere eine Ausbildung erfahren hatten, als ihre Mutter noch lebte. Inzwischen war sie auch an schräge Töne und unfähige Musiker gewöhnt, die Wandertheater mussten zur musikalischen Untermalung und Begleitung ihrer Stücke, ihres Gesanges und Tanzes mit dem vorliebnehmen, was sie aus ihrer stets klammen Kasse bezahlen konnten. Dennoch hatte sie vergessen, wie grauenvoll Töne sein konnten, die ein mit Musikinstrumenten aller Art ungeübter Knabe mit einer unschuldigen Blockflöte hervorzubringen vermochte.
    Nach einer wahrhaft quälenden halben Stunde fiel ihr ein, dass man Tobias im Waisenhaus vom Singen befreit hatte, was womöglich doch nicht nur eine Laune des neu eingestellten Singemeisters gewesen war. Das hatte sie zunächst gewundert, in allen Schulen gehörte das Chorsingen zu den wichtigen Fächern, und die Chöre hatten auch die Gottesdienste zu begleiten, nun ahnte sie, warum. Tobias war in dem Maße eifrig, wie ihm andererseits Gehör und Gefühl für die Töne fehlten.
    Weil die Flötentöne bis in die Küche reichten und Pauline überraschenden Kunstverstand bewies, indem sie sich die Ohren verstopfte, hätte sie fast das Klopfen an der Wohnungstür überhört. Endlich eilte sie doch in die Diele und klopfte ihrerseits gleich darauf an die Salontür, die umgehend von Rosina geöffnet wurde, den Seufzer der Erleichterung noch auf den Lippen.
    «Verzeihung, Madam, wenn ich den Unterricht störe. Da ist Besuch an der Tür. Ein Monsieur Sachse, na gut, ein feiner Monsieur ist er vielleicht nicht, er hat auch keine Visitenkarte, sieht aber ganz manierlich aus. Er sagt, Ihr kennt ihn, und weil er ein bisschen spricht wie Madam, also, darf ich ihn reinbringen?»
    So wurde Rosina unverhofft von Tobis erster Flötenstunde erlöst. Pauline nahm ihn mit, allerdings ohne das Instrument, darauf bestand sie, natürlich nur, weil der Junge seine anderen Pflichten zu erfüllen habe, zum Beispiel das Feuerholz und einen Eimer Steinkohle aus dem Schuppen im Hof heranzuschaffen.
    Luis Sachse, Flößer und für diesen langen Winter bei Bedarf auch Tagelöhner auf dem Borgesch, hatte seinen Rock besonders gründlich gebürstet, bevor er sich diesmal auf den Weg in die Stadt gemacht hatte, auch sein dichtes dunkles Haar, bis aller Staub daraus verschwunden war, seine Hände geschrubbt, bis sie so reinlich waren, wie wenn er sonst in einer ordentlichen Familie oder in einem bedeutenden Kontor Besuch machte. Die Leute auf dem Borgesch, auch Elske, die ihn am besten kannte (oder zu kennen glaubte), wussten es nicht, doch da, wo er herkam, gehörte das schon bald zu seinem Alltag.
    «Ach, Ihr seid es.» In Rosinas Blick lag eine Mischung aus höflicher Freundlichkeit, Neugier und – sie wusste selbst nicht recht, warum – Misstrauen.
    Er verneigte sich gerade so tief, wie es zwischen Gleichgestellten, insbesondere vor einer Dame passend war. «Danke, dass Ihr Zeit für mich habt, Madam Vinstedt. Ich hoffe, ich habe Euer Zusammensein mit Eurem Sohn nicht gestört?»
    «Nein», sie zögerte, «… Monsieur Sachse, nein, das habt Ihr nicht. Umso weniger, als Tobias nicht mein Sohn ist, sondern ein, nun, ein ständiger Hausgast.»
    Luis neigte mit einem entschuldigenden Lächeln für seinen Irrtum den Kopf. Oder um charmant eine als Lüge empfundene Auskunft zu akzeptieren.
    «Ich habe schon versucht, Euch zu finden, um mich richtig für Eure Hilfe zu bedanken», sagte Rosina. «Ich hoffe, Mamsell Elske vom Eschenkrug hat es ausgerichtet.»
    «Natürlich.» Luis schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. «Das hat sie, und ich weiß jetzt, was ich vergessen habe. Ich hatte schon den ganzen Tag, ich meine, auf dem ganzen Weg vom Borgesch in die Stadt so ein Gefühl. Ich habe Eure Pastetenschüssel im Eschenkrug vergessen. Meine Empfehlung an Eure Köchin, Madam, die Pastete war ausgezeichnet. Ich habe lange nicht mehr so Gutes gegessen. Ihr wart sicher nicht selbst die Meisterin?»
    Rosina lachte über seine dezente Schmeichelei. Ihr machte er nichts vor, wenn er sich als einfacher Flößer gebärdete. Seine Sprache, seine Sitten standen dagegen – andererseits konnte er sich die auch irgendwo angeeignet haben. «Nein, meine Talente liegen anderswo. Wenn Ihr nicht gekommen seid, die Schüssel zurückzubringen, was kann ich dann für Euch

Weitere Kostenlose Bücher