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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Schlägerei in diesem Moment das Letzte war, was Rosina und auch Tobias half.
    Claes Herrmanns war ein selbstbewusster Mann. Er gehörte zu den wohlhabendsten Kaufleuten der Stadt und, wenn er auch vermieden hatte, sich in ein Rathausamt wählen zu lassen, weil er lieber im Hintergrund und in der Commerzdeputation die Fäden zog, auch zu den angesehensten. Er hatte es selten nötig, taktisch oder gar diplomatisch zu sein, eben eine Rolle zu spielen, und er liebte es auch nicht. Er war – meistens – höflich, alles darüber hinaus fand er zu mühsam. Erst recht, wenn er einem noch wenig einflussreichen Kaufmann und einem alten Schreiber gegenüberstand.
    «Der Junge hat sich geprügelt», fuhr er launig fort. «Na und? Natürlich sollte er das nicht, aber wenn es um die Ehre geht, muss ein Mann schon mal zuschlagen.» Er knuffte den Jungen aufmunternd gegen die Schulter. «Darum ging es doch, Tobias? Um die Ehre. Die anderen beiden», fuhr er an Zacher und Hegolt gewandt fort, «haben nämlich behauptet, er habe sie bestohlen. Das konnte er doch nicht auf sich sitzen lassen. Hmm.» Wieder hoben sich seine Brauen, und plötzlich wurde sein Blick starr. «Es sei denn …»
    Vier Augenpaare richteten sich auf Tobias. Ein fünftes, das von Pauline, schloss sich, während sie hinter der Küchentür lauschend den Atem anhielt. Der magere, für sein Alter ohnedies zu kleine Knirps zog den Kopf zwischen die Schultern und schien noch kleiner zu werden.
    Es war totenstill, selbst die Kohlmeise war verstummt und davongeflogen. Rosina wäre sehr gerne ohnmächtig geworden, leider gelang ihr das nur sehr selten. Für eine anständige Frau war sie einfach zu gesund.

    Als Rosina Vinstedt aus der Haustür auf die Gasse trat, atmete sie zum zweiten Mal an diesem Morgen tief ein, sogar besonders tief. Es hatte noch nicht zehn geschlagen, und was der Morgen bisher an Aufregungen geboten hatte, reichte für den ganzen Tag. Wahrscheinlich lag es am Alter, wenn sie sich so rasch aus der Ruhe bringen ließ – ihr dreißigster Geburtstag nahte unaufhaltsam. Früher, darin war sie ganz sicher, war das anders gewesen. Früher, drängte sich ein unerwünschter Gedanke in ihr Bewusstsein, war sie auch nicht darauf bedacht gewesen, was Nachbarn, überhaupt ihre Mitbürger von ihr dachten.
    Obwohl im Hafen noch die vom Eis erzwungene Winterruhe herrschte, waren die Straßen wie gewöhnlich um diese Vormittagsstunde voller Menschen, Wagen und Fuhrwerke. Tatsächlich noch voller als sonst, denn es war seit langem der erste Tag, an dem die Strahlen der Sonne Wärme spendeten, somit einer dieser Vorfrühlingstage, die auch die standhaftesten Stubenhocker ins Freie lockten.
    Zwischen die vier oder gar sechs Etagen hoch aufragenden Häuser der Mattentwiete, in der Rosina seit ihrer Heirat mit Magnus wohnte, hatte sich noch kein Sonnenstrahl verirrt. Sie war gerade breit genug für eine der komfortableren Kutschen und oft vom Gedränge verstopft, besonders wenn sich mal wieder zwei Fuhrleute nicht einigen konnten, wer zuerst passieren dürfe. Genau genommen waren die meisten Straßen der uralten Stadt nur solche Gassen, viele sogar kaum mehr als schulterbreite Gänge. In manchen kragten die oberen Stockwerke so weit vor, dass die Straßen wie Tunnel anmuteten und ihre Bewohner sich von Haus zu Haus die Hände reichen konnten. Jedenfalls fast.
    Ganz so schmal war die Mattentwiete nicht, was die ängstlicheren unter den Bewohnern beruhigend fanden, denn wozu nützte es, des Nachts einen Balken vor die Tür zu legen oder gar ein teures Schloss einbauen zu lassen, wenn ein Dieb von einem schlechter gesicherten Haus herüber einsteigen konnte? Oder – schlimmer noch – ein Mordlüstling, wie es neulich Madam Hopperbeck aus der vierten Etage mit erstaunlich blitzenden Augen gesagt hatte. Neinneinnein, hatte die Nachbarin geflüstert, ihre Blicke eilig nach links und rechts die Twiete hinunterschickend, hier sei es sicher, das gehe nur in den stinkenden Gängevierteln. Dort tue es aber auch niemand, der halbwegs bei Verstand sei, denn was gebe es da schon zu holen? Ratten, Läuse und eine Tüte schlechte Luft, die die Auszehrung mitbringe.
    Wenn deren Untaten ohnedies nicht zu fürchten waren, fand Rosina die ganze Aufregung um womöglich einsteigende Diebe und anderes Gesindel überflüssig, sie hatte dennoch mit interessiertem Gesicht vage Zustimmung genickt. Madam Hopperbeck, eine Nervensäge mit einem unermüdlich Nichtigkeiten plappernden Mundwerk,

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