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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Batist, offenbar gab es noch einen Vorrat an tadelloser Kleidung.
    Rosinas Blick glitt durch die Diele, in die Amanda Söder sie geführt hatte, nachdem sie – ihre silberbeschlagene langläufige Pistole noch in der Hand – aus der Tür getreten und ob ihrer Schießerei kein bisschen peinlich berührt war. Die Vorhänge der beiden hohen Fenster waren alt, verblichen und staubig, die Bilder an den Wänden fast schwarz, die Wände von undefinierbarer Farbe und rissig. Eines der Fenster war von den Brettern befreit worden, das Glas bis auf einen Sprung heil.
    Die altväterlichen, gedrechselten dunklen Möbel wirkten stumpf und düster, aber sie waren sauber, ebenso der auf friesische Art gekachelte Boden. Es musste harte Arbeit gewesen sein, die Schmutzschicht herunterzukratzen und zu wischen, in den Ecken waren noch Reste zu sehen. Nirgends Staub, in dem vierarmigen Leuchter brannten gute Wachskerzen, die der düsteren Diele mit dem kleinen Feuer im Kamin etwas Anheimelndes gaben.
    Madam Söder selbst, genau konnte das allerdings nur Augusta beurteilen, wirkte nicht annähernd so ungewaschen, wie Rosina vermutet hatte, auch roch sie nur noch wenig unangenehm. Trotzdem, sobald das Wasser wieder im Überfluss zu haben war, wäre ein ausgiebiges Bad das Erste, was sie ihr verordnen würde.
    «Wir tun, was wir können.» Madam Söder zuckte die Achseln und musterte mit zusammengekniffenen Augen Rosina, ihr fremdes Gegenüber. «Madam Vinstedt? Dann eben so. Ich kenne sie doch nicht. Und man muss aufpassen, das Haus liegt einsam. Man muss immer mit allem rechnen. Du brauchst dir natürlich keine Gedanken zu machen, Augusta, im Haus von deinem feinen Neffen. Du hattest ja schon immer ein Händchen, für deinen Vorteil zu sorgen.»
    Augusta ignorierte den Angriff, sie verstand ihn einfach nicht, und Amanda tat ihr leid. So ekelhaft sie war oder sein konnte, sie lebte nun allein in einer ihr fremd gewordenen Welt.
    «Wenn du dich bedroht fühlst, solltest du endlich zu uns in die Stadt kommen. Zumindest gibt es da keine Wölfe, wobei auch hier draußen seit Jahren keiner mehr gesehen worden ist. Meine Einladung gilt, auch zukünftig.» Rosina stellte sich Amanda Söder an dem stets erlesen gedeckten Tisch im Herrmanns’schen Speisezimmer vor und verbiss sich ein Grinsen. «Wenn du das nicht möchtest», schlug Madam Augusta vor, «können wir eine Wohnung für dich finden. Ich sorge mich weniger um deine Sicherheit, Amanda, wer sollte denken, unter diesem Dach seien noch Kostbarkeiten zu holen? Wenn es nach dem Tod deines Vetters noch etwas gab, ist es längst verschwunden, bevor du eingezogen bist. Aber du könntest ernstlich krank werden. Wen kannst du dann zu mir schicken? Findet deine – soll ich sie nun Zofe nennen oder Magd? Findet dieses alte Mädchen für alles unser Haus am Neuen Wandrahm? Schafft sie es überhaupt bis in die Stadt? Es ist ein Fußweg von etwa zwei Stunden.»
    Wie auf das Stichwort klopfte es, und eine der beiden Türen, die zu den hinteren Räumen des Hauses führten, öffnete sich. Eine alte Frau trat ein, hager, runzelig, ihr Rock und die weite Jacke überraschend sauber, die Haube in ungewöhnlichem, dafür praktischem Dunkelblau.
    «Der Kaffee, Madam», sagte sie und blieb, das Tablett in beiden Händen, abwartend stehen.
    «Kaffee? Wieso Kaffee?» Amanda Söder blickte sie unwillig an.
    «Der Kaffee, den Ihr bestellt habt, bevor die Damen ankamen», sagte die Dienstbotin. «Sie hat mehr zubereitet und gesagt, ich soll drei Tassen bringen. Und Zucker.»
    «Danke», sagte Augusta rasch, bevor Amanda womöglich begann, von Verschwendung und überteuerten Kaffeebohnen zu nörgeln. «Das ist eine großartige Entscheidung, ich vergehe nach einem Schluck Kaffee.»
    Was völlig der Wahrheit entsprach.
    Der Kaffee konnte nicht von schlechten Bohnen stammen, und wer sie geröstet hatte, verstand sich auf die Finessen, auf diese Gratwanderung zwischen zu wenig und zu viel, zwischen belanglos und zu bitter, zu verbrannt. Der Zucker war nicht von der allerbesten Sorte, doch von einer besseren, als Rosina sie sich leistete. Sie hatte in einem solchen Haushalt gar keinen Zucker erwartet. Wer von einer Insel voller Zuckerrohrplantagen kam, war wohl daran gewöhnt, immer welchen vorrätig zu haben.
    «Du hast jemanden für die Küche?», fragte Augusta.
    Amanda rührte in ihrem Kaffee und brummelte etwas, das nach «nur aushilfsweise» und «aus dem Dorf» klang, nach «recht tüchtige junge Person, die

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